In “Jesus liebt mich“ legt Fitz den dramaturgischen Hattrick hin: Drehbuch, Regie, Hauptrolle. Donnerstag kommt der Film in die Kinos.

Hamburg. Den Vollbart hat er abrasiert, stattdessen schleppt er einen festgezurrten Rucksack durch die Hamburger Hotellobby, als käme er geradewegs von einer Bergtour. Erstaunlich daran ist, dass weder Bart (im Film) noch Sack (im Leben) die Attraktivität schmälern. Florian David Fitz sähe wahrscheinlich selbst in Fischernetz und Plüschpantoffeln hinreißend aus. Das Gesicht fein geschnitten, keine Unebenheiten, der Körper in Form geturnt oder auch nur ein genetischer Sechser im Lotto. Man hofft beinahe, er möge ein klein wenig dumm sein. Oder eitel. Oder zumindest ein schlechter Schauspieler. Doch nichts davon löst sich ein. Kurz gesagt ist dieser Mann ein Weihnachtsgeschenk an das Publikum. Der Herzbube des deutschen Kinos.

Dabei gehört Fitz nicht zu jenen Glückskindern, die sich mit der ersten Rolle in die Zuschauerherzen spielten. Er gab sein Debüt Ende der 90er-Jahre beim "Bullen von Tölz", tauchte in "SOKO"-Folgen auf und stand unter sprechenden Titeln wie "Die Liebe hat Vorfahrt" herum. Dann kam die RTL-Serie "Doctor's Diary" und mit ihr Fitz' Auftritt als snobistisch-diabolischer Oberarzt. Weibliche Zuschauer steigerten sich in leichte Hysterie; Fitz galt als deutsche Antwort auf George Clooney zu "Emergency Room"-Zeiten. Nun spielt er den Heiland persönlich.

Irgendwie konsequent. "Jesus liebt mich" heißt die Liebeskomödie, die nun in die Kinos kommt, in der der Schauspieler einen dramaturgischen Hattrick hinlegt: Drehbuch, Regie, Hauptrolle. So etwas gelingt sonst nur den beiden Goldeseln der Unterhaltungsindustrie, Til Schweiger und Matthias Schweighöfer. Florian David Fitz ist in diesem Dreierbund der (noch) unbekannteste. Und der künstlerisch interessanteste. Wer sieht, mit welcher Sorgfalt er sich einem von Hunderten Interviews widmet, ahnt, wie groß die Hingabe ist, mit der er Filme dreht.

Zum Warmwerden, Wachwerden bestellt er Cappuccino beim Zimmerservice. Schenkt Wasser ein, bearbeitet die einlullende Hintergrundmusik, die auch in Fahrstühlen eingesetzt wird, erst dann ist er zum Reden bereit. "Was für eine nervige Musik. In Hotelzimmern muss man immer erst fünf Knöpfe drücken, bevor man in ihnen existieren kann", sagt Fitz und lacht. Da sind keine Allüren, keine Show, nichts Eingeübtes, nichts Aufgeregtes. Nur ein Schauspieler, der froh ist, wenn er nicht seinen Beziehungsstatus kommentieren, sondern über den neuen Film reden soll, über den er sich so viele tiefgründige Gedanken gemacht hat, dass man sich wundert, dass das Ergebnis im Grunde simpel und fix erzählt ist.

Marie, gespielt von Jessica Schwarz, verliebt sich in Jeshua (Jesus), der die Erde besucht, um den Weltuntergang für nächsten Dienstag vorzubereiten. Jesus dürfte neben Goethe und Hitler die wohl undankbarste Rolle sein, die das deutsche Kino zu vergeben hat. Man kann an ihr nur scheitern.

Das Schöne ist, dass Fitz es dennoch mit großer Ernsthaftigkeit versucht. Sein Jesus ist keine Persiflage, kein cooler Wiedergänger, kein postmodernes Zitat. Er ist ein Mann, der mit einem Ausdruck größter Verwunderung Tomaten betrachtet und den bärtigen Kopf schief legt, wenn er spricht. "Ach herrje, ein Terrorist", ist Maries erster Gedanke.

"Alle rufen in Deutschland nach Kinofilmen, die es so noch nicht gab. Wir sind so müde von der milliardsten romantischen Komödie. Mir gefällt die freche Idee von ,Jesus'. Warum soll man eine Liebesgeschichte nicht mal auf diese Art erzählen?", sagt Fitz, dem vielleicht kein perfekter Film gelungen ist, aber eine Komödie, bei der man sein Gehirn nicht an der Garderobe mit dem Schal abgeben muss.

Es gehe im Kern ums Erwachsenwerden und Loslassen, sagt Fitz. Das scheint irgendwie sein Lebensthema zu sein. Zumindest in beruflicher Hinsicht. "Vincent will Meer" hieß das wunderbare Roadmovie um drei Außenseiter auf Selbstfindung, für das Fitz als Drehbuchautor und Hauptdarsteller haufenweise Preise einheimste. Deshalb klingt ein Satz wie dieser aus seinem Mund auch nicht wie ein grauenvoller Strebersatz, sondern tatsächlich wahrhaftig: "Es muss nichts Riesiges sein, es muss einen nur im Herzen erreichen."

Wobei er über das "nur" selbst lachen muss. Denn auch in seiner Liga ist die Spitzenrolle rar. "Drehbücher, bei denen das Herz sofort ,ja' ruft, kommen selten, höchstens einmal im Jahr. Das liegt daran, dass es wahnsinnig schwer ist, ein gutes Buch zu schreiben", sagt Fitz. Trotzdem hat er eine neue Buchidee im Kopf, dreht außerdem nächstes Jahr eine Vater-Sohn-Geschichte mit Henry Hübchen. Im Kino gab er gerade den so brillanten wie schusseligen Mathematiker Carl Friedrich Gauß in "Die Vermessung der Welt". Der fitzsche Filmkosmos reicht von Mainstream bis Nische. Wobei "Jesus liebt mich" das wohl publikumswirksamste Produkt seiner Karriere ist. Immerhin war David Safiers Romanvorlage ein Bestseller.

Verspürt er deshalb Druck? "Von außen merke ich überhaupt keinen Druck. Wenn, dann mache ich ihn mir selber. Und das ist ja der blödeste", sagt er.

Fitz hat Schauspiel in Boston studiert, gelernt hat der heute 38-Jährige vor allem von seiner Lehrerin an der renommierten Falckenberg-Schule etwa dies: "Junge Schauspieler wollen sich immer verändern. Dabei besteht die größte Schwierigkeit darin, sich selbst zu finden. Wenn du herausgefunden hast, was deine Stärken sind, kannst du dich in so viele verschiedene Situationen begeben. Dann wird's spannend."

Man muss "Jesus liebt mich" schon allein dafür mögen, dass er ins Risiko geht, statt vor Genrekonventionen zu kuschen. Die Sehnsüchte, die er verhandelt, mögen auf den ersten Blick als Küchenkalenderpoesie daherkommen. Beim näheren Betrachten erzählen sie von menschlichen Bedürfnissen. "Liebe ist ein Haus mit vielen Zimmern. Man muss ja nicht im Flur stehen bleiben" heißt es an einer Stelle des Films, die womöglich auch etwas über Florian David Fitz verrät. Er ist keiner, der im Flur stehen bleibt.

Er findet gerade heraus, wie viele Zimmer das deutsche Kino zu bieten hat.

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