Mit einem prächtigen Band voller Weihnachtslieder zum Mitsingen und zwei CDs vollendet sich das “Liederprojekt“ von Cornelius Hauptmann.

Hamburg. Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind auf die Erden nieder, auch die gleiche Peinlichkeit im deutschen Durchschnittsweihnachtszimmer wiederholt sich. Wie ging noch mal diese rhythmisch irgendwie komische Melodie zu "Es kommt ein Schiff geladen"? Weiß noch einer den Text zur zweiten Strophe von "Ihr Kinderlein, kommet"? Selbst wer sich zu den grundsätzlich singbereiten Bewohnern dieses Landes zählt, sieht sich oft mit rudimentären Textkenntnissen und einem fragmentarisch arbeitenden Melodiegedächtnis konfrontiert. Als Entschuldigung mag herhalten, dass Weihnachtslieder eben nur zu Weihnachten gesungen werden, man also 50 Wochen im Jahr Zeit hat, sie wieder zu vergessen. Andererseits werden diese Lieder zur Feier von Jesu Geburt in unserem Kulturkreis seit alters gesungen, müssten also, wenn schon nicht im individuellen, so doch im kollektiven Gedächtnis verankert sein.

Dass dem nicht mehr so ist, und zwar nicht nur bei Weihnachtsliedern, sondern bei allem, was man im Familienkreis einst so gesungen hat, bereitete dem Bass Cornelius Hauptmann schon vor Jahren so viel Kummer, dass er zunächst begann, Wiegenlieder vor dem Vergessen zu bewahren. Dazu rief er das "Liederprojekt" ins Leben, das nichts Geringeres will als eine neue Singbewegung anstoßen.

2009 kam seine Auswahl deutscher Wiegenlieder auf den Markt, multimedial als Buch mit ausgeschriebener Melodie und Akkordsymbolen nebst beigelegter Instrumental-CD zum Mitsingen, als Band mit einfach gesetzten Klaviernoten und der Melodiestimme, aber auch in mustergültig schön gesungenen Aufnahmen, zu denen Hauptmann Kollegen überredete. Ein Honorar dafür bekamen sie nicht, vielmehr wird von den verkauften Büchern und Platten Geld an Projekte gespendet, die das Singen mit Kindern fördern. 315 000 Euro kamen bislang zusammen.

Nun ist das ganze "Liederprojekt" vollbracht. Nach zwei weiteren Folgen mit Volks- und Kinderliedern ist jetzt pünktlich zur Adventszeit ein Prachtband voller Weihnachtslieder erschienen (alle beim Carus-Verlag). Würde man sagen, sie reichen von "Adeste fideles" bis "Zumba Zumba", so wäre das zwar gemäß der alphabetischen Ordnung richtig. Aber das A und O des deutschen Weihnachtslieds sind diese beiden Titel nun gerade nicht. Dazwischen finden sich allerdings 78 weitere Lieder, unter denen sich neben dem Kernrepertoire des vor der Bescherung zu Singenden auch schöne, entlegene Trouvaillen befinden. Wer sich textlich und melodisch auf den Stand bringen möchte, ist mit dem Erwerb der beiden besungenen CDs gut beraten. Berühmte Interpreten wie Christoph Prégardien, Jonas Kaufmann und Angelika Kirchschlager sind zu hören, vor allem aber lauschen nicht ganz so bekannte, gleichwohl ausgezeichnete Sängerinnen und Sänger in allen Stimmlagen vom Countertenor bis zum Bass, vom kindlich hohen Sopran bis zum Alt sowie ein halbes Dutzend Chöre den Liedern feine Nuancen an Innigkeit und Gestaltungsspielraum ab.

Die Instrumentalisten stammen überwiegend aus dem Raum Baden-Württemberg. Der Organist der Stuttgarter Stiftskirche Kay Johannsen bereichert sowohl die Sänger-Aufnahmen als auch die Singalong-CD mit seinem vielfältigen und schönen Spiel. Christine Busch, Violinprofessorin in Stuttgart, streicht ihre Geige so auffallend warm und stimmig wie schon auf den früheren "Liederprojekt"-Aufnahmen.

Was das Buch (24,90 Euro) neben dem Nutzwert für vergessliche Familiensänger wertvoll macht, sind die Illustrationen von Frank Walka. Er hatte mit seiner speziellen Maltechnik zwischen gespachtelter und mit dem Pinsel aufgetragener Ölfarbe und Kaltnadelradierung schon die "Wiegenlieder" in einen magischen Raum transponiert. Nun macht Walka die Herbergssuche von Maria und Josef, das Geschehen im Stall von Bethlehem, die heilige Familie, Hirtenszenen auf dem Feld oder auch abstraktere Visualisierungen wie süßen Glockenklang nachfühlbar auch für Kinderseelen. Und zeigt in seinen vorzüglich reproduzierten Bildern doch eine eigene künstlerische Handschrift. Damit der häusliche Singkreis endlich nicht mehr abschmiert unterm Tannenbaum und auch die Blamage im Weihnachtsgottesdienst ausbleibt, stecke man sich Buch und CDs am besten gegenseitig in den Nikolausstiefel.