“Dicke Mädchen“ überzeugt als Kino-Märchen mit dem genauen Blick für die Realität

Kaum zu glauben, aber wahr: Regisseur Axel Ranisch brauchte nur 517,32 Euro, um den Spielfilm "Dicke Mädchen" zu realisieren. Alle Beteiligten, darunter seine 91-jährige Großmutter Ruth Bickelhaupt, haben nämlich auf eine Gage verzichtet. In der Rolle der an Demenz leidenden Edeltraud wird sie in der gefühlvollen und witzigen Geschichte gleichsam zum Liebesboten für ihren Sohn Sven (Heiko Pinkowski) und ihren Betreuer Daniel (Peter Trabner).

Die überaus agile Edeltraud bringt die beiden schwergewichtigen Männer mit allerlei Kapriolen dazu, ihr Leben grundsätzlich infrage zu stellen. Verblüffende Antworten bekommen die Zwei in einer außergewöhnlichen Liebesgeschichte. Sie selbst, Daniels Sohn Leo (Paul Pinkowski) und das Publikum durcheilen eine Tour de Force der Emotionen und lernen, dass es - wie schon Shakespeare wusste - mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gibt, als sich die Schulweisheit erträumt.

Regisseur und Kameramann Axel Ranisch hat seinen Film mit geringstem technischen Aufwand gestemmt. Die Story und die Dialoge hat der Absolvent der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf (Potsdam) während des Drehens mit seinen Darstellern spielerisch entwickelt. Das hat der kleinen Geschichte von der Suche nach dem großen Glück eine faszinierende Leichtigkeit beschert. Dem daraus resultierenden Charme kann sich wohl niemand entziehen.

"Dicke Mädchen" begeistert mit seiner schier unendlich anmutenden Liebe zu den Figuren, dem wunderbar verhaltenen Witz, dem immer drei Zentimeter über dem Erdboden schwebenden Klang der Erzählung und dem bei aller märchenhaften Schönheit immer genauen Blick auf die soziale Realität. Mit der leichtfüßigen aber nie seichten Story und mit dem geradezu lyrischen Erzählton knüpft der Film an eine längst verschüttete Kino-Tradition des hintergründigen Humors an, die im Frankreich der 30er-Jahre begründet wurde.

Bewertung: empfehlenswert

"Dicke Mädchen" D 2012, 76 Min., ab 12 J., R: Axel Ranisch, D: Ruth Bickelhaupt, Heiko Pinkowski, Peter Trabner, täglich im 3001-Kino; www.dickemaedchen.com