Die Roman-Verbilderung “Cloud Atlas“ ist ein überwältigender Kino-Rausch. Sechs Geschichten in einem Filmfilmfilmfilmfilmfilm.

Es war einmal das Kino, das eine einzige Geschichte von A nach B erzählte. Anfang, Mitte, Ende. Gern auch mit happy. Jahrzehntelang ging das gut, mal mehr, mal weniger. Man arrangierte sich miteinander, die Geschichten, die Macher und das Publikum. In den letzten Jahren traute sich das Kino dann auch, hier und da eine zweite, ganz andere Geschichte in einem Film unterzubringen. Da wurde es aber schon eng.

Und jetzt also das hier: Sechs Geschichten in einem Filmfilmfilmfilmfilmfilm. Ein virtuos verwobener Bilderbogen, der sich über etliche Jahrhunderte und bis ins Weltall spannt, in dem alles mit jedem zu tun hat, irgendwie; in dem man sich nie sicher ist, ob man gerade etwas epochal Wichtiges erlebt oder doch nur Nebensächliches. Utopisches und Niedliches, Krimi und Komödie, Science-Fiction und Abenteuer. Der Film "Cloud Atlas" ist prallvoller als jedes Überraschungsei, ein Handlungscluster.

Drei Regisseure, sechs Epochen, ebenso viele Stars in ebenso vielen Rollen, unendlich viele Überschneidungen, Fortsetzungen, geheilte Brüche. Hier ein Jungkomponist, da ein Klon, der aus einem Fast-Food-Restaurant ausbricht, um messianische Züge anzunehmen. Dort wirft ein beleidigter Autor einen Literaturkritiker über eine Balkonbrüstung. Der mit 100 Millionen Euro teuerste deutsche Film aller Zeiten, für den sich Tom Tykwer ("Lola rennt") und die Wachowski-Geschwister ("Matrix") zusammentaten, macht keine halben Sachen und strengt sich an, kein Popcorn-Kino zu sein. Glücklicherweise scheitert er. Kein Film, außer vielleicht Christopher Nolans "Inception", hat in den letzten Jahren so sehr in den Kinosessel gedrückt wie dieser. Keiner hat so elegant die ganz großen Fragen zu fragen gewagt.

Kleinster gemeinsamer Nenner ist eine riesige Idee: Reinkarnation, das Wiederkehren in einem nächsten Leben. Manche Männer wandeln sich zum Besseren, andere verwandeln sich in Frauen und zum Schlechteren. In David Mitchells Romanvorlage "Wolkenatlas" spielte dieses religiös-philosophische Konzept nur eine Nebenrolle, hier ist sie das A und O, der Anfang und das nie vollzogene Ende. Niemals geht man so ganz, raunt diese Geschichte, während sie durch Welten und Zeiten fliegt.

Belebt wird sie von einem halben Dutzend handelsüblicher Kino-Stars, bis zur Kenntlichkeit maskiert, damit die Innenspannung erhalten bleibt. In den futuristischen Bestandteilen von "Cloud Atlas" matrixt es mächtig, die Wachowskis finden zu ihrer visionären Wucht zurück, die sie mit jeder Folge des "Matrix"-Universums Stück für Stück verloren. Längst nicht alles macht sofort Sinn, erst der Umweg ist das Ziel.

Bewertung: empfehlenswert

"Cloud Atlas" D / USA 2012, 172 Min., ab 12 J., R: Tom Tykwer, Andy & Lana Wachowski, D: Tom Hanks, Halle Berry, Hugh Grant, Susan Sarandon, täglich im Abaton (OmU), in den Cinemaxx- und UCI-Kinos, im Koralle-Kino, Passage, Zeise; www.cloudatlas-derfilm.de