Karl-Heinz Zillmer übergibt heute Abend im Warburghaus seinen Preis an den Verlag Matthes & Seitz. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert.

Hamburg. Karl-Heinz Zillmer sitzt nicht gerne still. Wenn er redet zumindest, und das tut er gerne und ausführlich, bisweilen auch sprunghaft, eigentlich sogar meistens, wenn er also redet, dann läuft er lieber. Um seinen Schreibtisch herum; mal in die eine Ecke seines Büros, mal in die andere. Hier langt er nach einem Bildband, dort nach einem Brief. Der Bildband ist vom Jüdischen Museum Rendsburg, der Brief von einem Verleger. Zillmer wird gleich den Brief herüberreichen, ein Dankesschreiben. Aber erst sagt er was zu dem Bild über dem fleischfarbenen Sofa: "Das ist auch so 'ne kulturelle Ambition von mir."

Er meint das Aufhängen von Bildern. Für den Fotografen macht er dann eine Ausnahme, er hört auf, durch das Büro seiner Stiftung zu tigern, und setzt sich auf die Couch, und das ist ja ein Supermotiv: Ein älterer soignierter Herr mit geschmackvollem Sakko und Einstecktuch sitzt ganz aufgeschlossen vor einem farbenprächtigen Gehänge, das einen nackten Mann zeigt. Jener Herr, der Diplom-Ingenieur Karl-Heinz Zillmer, meint es ohnehin gut mit der Kunst, der hehren. Er ist einer von Hamburgs wichtigen Mäzenen. Also einer von denjenigen, die Kunst und Kultur Geld zuschießen, auf dass sie besser gedeihe, und in der Gesellschaft das Gespräch über die schönen Dinge in Gang halten. Zum Beispiel Bücher. Am Montagabend wird der Zillmer-Verlegerpreis im Warburghaus an den Verlag Matthes & Seitz übergeben, und das wird eine schöne Veranstaltung werden. Für den Verlag. Für Zillmer.

Die großzügig bedachten Buchmacher - der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert - werden mit stolzgeschwellter Brust auf einen edlen Spender treffen, der seinerseits bestimmt eine Hochgestimmtheit der eigenen Person verspüren wird. "Natürlich", sagt Karl-Heinz Zillmer, "suche ich als Stifter auch die Anerkennung der Hamburger."

Und Anerkennung zu erlangen ist fraglos einer unserer wichtigsten Antriebe. Zillmer, 1936 in Stralsund geboren, kam nach dem Krieg mit seiner Familie nach Hamburg, einer Elektriker-Dynastie; der Vater baute den Betrieb in Hamburg wieder auf. Er war ein Unternehmergeist, der wohlhabend starb, Zillmer wird schon einiges von ihm mitbekommen haben, auch wenn er nicht übertrieben freundlich von ihm spricht. Auch der nachträgliche Sieg des Sohnes, der seinen Vater beruflich übertrumpft hat, stimmt Zillmer eher nicht milde. Er berichtet leicht bitter von der Arbeit am Flughafen. Damals, sagt Zillmer, "wurden die Passagiere ja noch zum Flugzeug geleitet". Eine Möglichkeit für den jungen Zillmer, Geld zu verdienen. Taschengeld gab's ja keines vom strengen Vater, am Anfang waren die Zillmers arm, wie so viele nach dem Krieg.

Deswegen ist die Zillmer-Story unbedingt eine, die sich um Erfolge dreht und ums Aufsteigen. Der Maler Georg Baselitz, von dem auch Bilder in Zillmers Büro am Axel-Springer-Platz hängen, hat einen Spruch parat, wenn er Zillmer sieht. Er sagt dann immer: "Da ist ja der verrückte Elektriker." Denn Zillmer hat dasselbe gemacht wie sein Vater: Er hat die Menschen in Hamburg mit Strom versorgt. Zillmers größtes Projekt war die Verkabelung des Kaispeichers A, und heute, zehn Jahre nach seiner Pensionierung, würde er wahrscheinlich in einem großen Hafengebäude lieber Bilder aufhängen oder Leseabende veranstalten lassen.

Er wäre ja am liebsten Professor für Geschichte geworden, sagt Zillmer, und er wirkt in diesem Augenblick wie jeder Mensch im Herbst seines Lebens, der ein Leben gelebt hat, aber auch von den anderen, den ungelebten, weiß. Zillmer steckt jedes Jahr Geld in seine Stiftungen, an einer ist auch seine Ehefrau Petra beteiligt. Er ist wohlhabend geworden als klassischer Homo Faber , als tätiger Mensch. "Ich will den Menschen in Hamburg etwas zurückgeben", sagt er, es klingt nicht so wie einfach dahergesagt. Eitel ist er trotzdem. Wie angenehm, dass Zillmer den Existenz-Modus der grundsätzlichen und fortgesetzten Selbstbeobachtung kennt - "wenigstens weiß ich anders als andere, dass ich eitel bin, und auch sonst kenne ich mich ganz genau".

Deswegen ist er sogar darauf aus, sich selbst nicht nur in den leuchtendsten Farben darzustellen. Er sei im Lauf seines Lebens - das viele feine Linien in Zillmers Gesicht hinterlassen hat - oft hart zu seinen Mitmenschen gewesen. Vielleicht kamen mit seinem Ehrgeiz nicht immer alle mit.

Er wollte es den Hamburgern ja immer zeigen, als Flüchtlingskind, das nicht dazugehörte. Aus der Kulturszene ist Zillmer nicht mehr wegzudenken und gerade im Literaturhaus ein gern gesehener Gast. Aber sein Engagement ist ja auch nicht ganz selbstlos. Das Bild über dem Sofa gehört ihm gar nicht, es ist eine Leihgabe. Die Künstlerin wusste nicht, wo sie es unterstellen soll. Zillmer half ihr da gerne.