Melody Gardot hat ihr Repertoire um französische Chansons und portugiesischen Fado erweitert - ihre Stärke bleibt trotzdem der Jazz.

Hamburg. Eigentlich hätte sie das alles gar nicht gebraucht. Die prachtvolle Lightshow, die Säcke mit mutmaßlich von Sklavenhand gepflückter Baumwolle. So viel Inszenierung und gewollte Weltläufigkeit. Schon Luisa Sobral gelingt es im Vorprogramm mit filigranen, eher unauffälligen Melodien, aber viel Humor und einem tollen Britney- Spears-Cover inklusive Föhneinsatz das Publikum auf ihre Seite zu ziehen.

Melody Gardot, jene vor drei Jahren als grandiose neue Stimme des Jazz direkt von der Ostküste bejubelte Sängerin bräuchte auch nur ein Piano, einen Barhocker, ein wenig Blaulicht, das ihre versehrten Augen schützt, seit der damals 19-Jährigen vor neun Jahren ein Geländewagen ins Fahrrad fuhr und ihr ein ganzes Jahr der Rekonvaleszenz aufnötigte.

Noch immer ist der Gehstock ihr Begleiter, aber eine Frida Kahlo ist sie nicht. Gardot sagt "Nun. Wir leben. Wir sterben." Und ist kürzlich exzessiv gereist. Spanien, Portugal, Südamerika, Nordafrika. Davon singt sie sehr nuanciert bei ihrem Auftritt in der ausverkauften Laeiszhalle. Im Gepäck das Album "The Absence". Auf dem Cover räkelt sie sich glamourös mit der Freizügigkeit einer Nina Simone.

Mit deren feurigem Erhebungssong "Four Women" steigt sie ein. Danach taucht sie den Abend in luxuriös schwerelose Eleganz. Akkurat umhüllt von den Klängen ihrer fünfköpfigen Begleitband, durchzogen von Morbidität, fragil und geheimnisvoll. Ihr Repertoire hat Gardot um französische Chansons und portugiesischen Fado erweitert. Stimmlich ist sie absolut auf der Höhe. Mal brüchig, mal kämpferisch. Mit ihren jazznahen Balladen sorgt sie für Furore, ihr vibrierender Gesang funktioniert genauso gut beim Bossa nova eines Caetano Veloso und beim Fado von "Mira" oder "Lisboa", wie beim Bebop eines Charlie Parker.

Melody Gardot ist ohne Zweifel eines der größten Jazz-Talente ihrer Generation, und natürlich möchte auch sie sich weiterentwickeln. Ihre Stärken liegen allerdings weniger in der Weltmusik, etwa im fröhlichen "Iemanja", sie liegen im schmerzlichen Jazz, schön spartanisch arrangiert.