Simon Rattles “Carmen“ -Einspielung mit Magdalena Kozená und Jonas Kaufmann

Carmen! Kastagnetten, Zigeunerleben, Eifersucht! Wer Georges Bizets Allzeitschlager, die meistgespielte Oper der Musikgeschichte, aufnimmt, braucht schon ein Konzept, um in der Masse des Angebots aufzufallen. Simon Rattle hat ein Rezept: Es lautet "Hochglanz". Für seine Einspielung mit den Berliner Philharmonikern hat er sich zu seiner orchestralen Luxuskarosse ein Sängerensemble vom Allerberühmtesten zusammengestellt: Die Titelrolle singt die Mezzosopranistin Magdalena Kozená, den fatal unglücklichen Liebhaber der Tenor Jonas Kaufmann.

Bei einer Opern-CD gibt es naturgemäß nichts zu sehen. Dieses immanente Manko macht Rattle wett, indem er die vielen Melodien und Motive, die sich qua Berühmtheit von ihrem Schöpfer losgelöst zu haben scheinen und in den kollektiven Melodienschatz eingegangen sind, herauspoliert, als wollte er sie in einer Vitrine ausstellen. Doch so tonschön und perfekt wie der opulente Klang der Berliner ist das Zigeunerleben dann wohl doch nicht - kurz, es fehlt ein wenig das Laszive, Dunkle oder auch, ja doch, Dreckige. Dafür bräuchte es nämlich auch mal eine weniger abgezirkelte Dehnung des Zeitmaßes oder den einen oder anderen Schleifer.

Am deutlichsten zeigt sich der Widerspruch in Magdalena Kozenás Deutung der Carmen. Ihr helles Timbre hat so gar nichts Verruchtes; die berühmte Habanera, in der sie Don José durch das Werfen einer Rose ganz buchstäblich verzaubert, singt sie erstaunlich sanft, fast in sich gekehrt. Nun kann man ja das Klischee durchaus mal gegen den Strich bürsten und eine Sängerin ganz gegen den üblichen Rollentypus besetzen. Aber wenn Carmen keine Femme fatale ist, woher dann nimmt sie ihre tödliche Faszination? Die Antwort bleibt Kozená schuldig.

Kaufmann dagegen führt Don José stimmlich höchst wandelbar als ausgeprägte, widersprüchliche Persönlichkeit vor: als den kleinen Soldaten, der sich an der Größe, am Drama seines Liebeserlebnisses förmlich verschluckt.

Das Herz der Produktion jedoch schlägt in der Figur der Micaëla. Wie warm, glockenhell und anmutig die junge Sopranistin Genia Kühmeier Josés Verlobte gibt, das entschädigt für manche Unebenheit dieser Aufnahme. Womöglich war es Absicht, das liebe, reinherzige Mädchen einmal mehr in den Mittelpunkt zu rücken. Es ist jedenfalls gelungen.

Simon Rattle, Berliner Philharmoniker: "Carmen" (EMI Classics); www.simonrattle.com