Das unabhängige Filmfestival Radar zeigt in sechs Kinos 65 Filme abseits vom Mainstream und eine große Bandbreite an Stoffen.

Hamburg. Getto gibt es in diesem Jahr nicht. Jedenfalls nicht in Form von Filmen, die sich mit Stadtvierteln beschäftigen, in denen soziale Randgruppen leben. Eine Kategorie wie Getto sagt einiges über das Filmfestival Radar aus, das von heute an zum fünften Mal in Hamburger Kinos und Klubs auf St. Pauli und in der Schanze läuft. Über das Medium Film wird eine Woche lang ein anderer Blick auf die Welt gerichtet, weit entfernt vom Mainstream, von Hollywood und von Fernseh-Ästhetik. "Es wurden überraschenderweise überhaupt keine Getto-Filme eingereicht, deshalb fällt die Kategorie in diesem Jahr aus", sagt Ale Dumbsky. Der ehemalige Musiker der Goldenen Zitronen und Gründer des Plattenlabels Buback Tonträger hat 2008 zusammen mit seinem Freund Boris Castro das Radar-Filmfestival ins Leben gerufen, das den Untertitel "Independent International Film Festival trägt".

400 Filme wurden in diesem Jahr eingereicht, kurze und lange, Spielfilme und Dokumentationen. 65 davon haben die beiden Festivalmacher ausgesucht. Bis zum Sonnabend werden sie in den Kinos 3001, B-Movie und Lichtmess sowie im Centro Soziale (Sternstraße 2), im Golem (Große Elbstraße 14) und im Gewerbe 5 (Beim Grünen Jäger 1) gezeigt. Die Schwerpunkte sind bei einem Blick ins Programm schnell auszumachen: Viele Filme beschäftigen sich mit Musik, hier auch wieder vor allem mit unabhängig produzierter. Ein großer Schwerpunkt widmet sich amerikanischen Produktionen. "Üblicherweise werden viele Filme aus den USA eingereicht", so Dumbsky. "Das hängt damit zusammen, dass die USA ein Filmland sind, in dem sehr viel produziert wird. Außerdem wird an den Universitäten viel Nachwuchs ausgebildet, der sich beweisen will."

Highlights von Radar 2012 sind Spielfilme wie "5 Shells" von Paul Myers oder "Cinema Six" von Mark Potts und Cole Selix. "5 Shells" erzählt die Geschichte von zwei Schwestern, deren Eltern von Gangstern erschossen werden und die sich in der Ödnis von New Mexico alleine durchschlagen müssen. Das Einzige, was sie haben, als sie losziehen, sind ein Gewehr und eine Buchausgabe vom "Zauberer von Oz". So düster "5 Shells" wirkt, so lustig kommt "Cinema Six" daher. Die Komödie beschreibt den Alltag einer Familie von Nerds, die ein Kino betreibt, und stellt Fragen wie: Wie sieht eigentlich ein Leben außerhalb des Projektorraums aus?

Die Bandbreite der Musikfilme beim Radar-Festival ist wie gewohnt groß. Stefan Immler dokumentiert in "Oxygen For The Ears: Living Jazz" die Szene in Washington D.C. mit seinen historischen Orten wie der U Street, dem "Black Broadway" oder dem Howard Theatre, wo Miles Davis und John Coltrane auftraten, und schlägt die Brücke in die Gegenwart mit Interviews von Ravi Coltrane und Esperanza Spalding. Zu einem Road Trip durch den Süden wird "American Songwriter" von Michael Altman. Robert Altmans Sohn begleitet den Country- und Folksänger Denny Farst bei dieser Reise. Das Innenleben und die Erfolgsstory des kanadischen Rocktrios Danko Jones beleuchtet "Bring It On The Mountain", in der Reihe "Heimatfilme" wird Kerstin Schroedingers Dokumentation über das seit 20 Jahren existierende Hamburger Indie-Label Fidel Bastro gezeigt.

Gelobt wird das Radar-Festival immer für seine Auswahl an kritischen Filmen. Erwähnt seien hier die Dokus "Scarred Lands & Wounded Lives", die in beeindruckenden Bildern zeigt, welche verheerenden Umweltschäden Kriege hinterlassen, und "Europe's Last Dictator", ein Film über Weißrusslands Präsidenten Lukaschenko, in großen Teilen mit versteckter Kamera gedreht. Unterstützung von der Stadt bekommt das ambitionierte Festival übrigens nicht. "Ich habe Kultursenatorin Kisseler mal ein Programmheft geschickt", sagt Ale Dumbsky. Aber auch ohne Geld von der Kulturbehörde werden Castro und er weitermachen: "So ein Festival zu kuratieren macht einfach Spaß!"

Radar-Festival bis 3.11. in sechs Kinos und Klubs, Karten pro Vorstellung 6 Euro; komplettes Programm im Internet unter www.radarhamburg.com