Maria Simon spielt in dem sehenswerten Film eine Ärztin, die einen Job auf dem Land annimmt. Und dort einen Mord aufdeckt.

Dass Land Lust macht, liegt im Trend. Die Menschen sind der Stadt offenbar müde, zumindest in ihrer Fantasie spielen sie mit dem, was die Welt jenseits des turbulent Urbanen zu bieten hat: Ruhe, innere Einkehr, die wie auch immer geartete Idylle. Eine Sehnsucht, selten ist sie zielgerichtet.

Ellen Roth, junge Ärztin an einer Hamburger Klinik, hat sich darüber bislang keine Gedanken gemacht. Ihr Job schlaucht sie, aber sie ist Ärztin aus Leidenschaft. Bis zu jenem Tag, als ihr Chef sie bittet, doch noch diesen einen Patienten zu untersuchen, obwohl sie längst hätte Feierabend machen müssen. Alles okay bei dem Mann, so lautet Roths Diagnose, am nächsten Tag aber wird er als Notfall eingeliefert, ein Schlaganfall mit rechtsseitiger Lähmung.

Für Ellen Roth ist das erst einmal das Aus in dem von Grimme-Preisträgerin Dagmar Hirtz für das ZDF in Szene gesetzten Kriminalfilm "Herzversagen". Arbeitsrechtlich stehen ihre Chancen schlecht, die Klinikkarriere ist kein Thema mehr. Ein Neuanfang ist gefragt. Und Ellen Roth geht den entfernungsmäßig kurzen, gedanklich aber extrem langen Weg von der Stadt aufs Land: Sie tritt eine Hausarztstelle südlich von Hamburg an.

Dagmar Hirtz inszeniert diesen sehenswerten Fernsehfilm vor allem als Psychogramm jener Dorfbewohner, mit denen es Ellen Roth, von Maria Simon einfühlsam und mit spröder Erotik gespielt, fernab der großen Stadt zu tun bekommt: Erst einmal ist da ihre Sprechstundenhilfe Anna Hensen, eine undurchsichtige Frau, die Katrin Pollitt mit dem norddeutschen Charme einer Marlene Jaschke spielt, dann der Dorfvorsteher Robert Wank (Charly Hübner), anbiedernd, aber immer seine eigenen Interessen im Blick habend, und nicht zuletzt das Ehepaar Marie und Peter Bertel (Caroline Ebner und Norman Hacker), deren einander abgewandte Blicke frösteln lassen. Jeder hängt mit jedem in diesem dörflichen Soziotop zusammen, da schaut schnell das Unheil um die Ecke. Landlust? Muss woanders sein.

Gleichwohl Ellen umgehend zu einem Notfall gerufen wird: Die Frau eines benachbarten Bauern hat extreme Atembeschwerden, sie scheint, so ihr Mann, kurz vor dem Exitus zu stehen. Was Ellen allerdings falsch versteht, denn nicht die Gattin, sondern die trächtige Kuh des Bauern ist gefährdet: Wird nicht schnell ihr Kalb geholt, gibt's keine Mutterfreunden. Und so bringt die Frau Doktor erst einmal einen Milch gebenden Vierbeiner auf die Welt.

Doch von wegen Idylle: Die Menschen im Dorf sind skeptisch der Neuen gegenüber, misstrauisch, denn sie ist so ganz anders als der alte Doktor Braun, der lange Jahre die Praxis geführt hatte. Und anders zu sein, ist auf dem platten Lande nun mal kein charakterlicher Pluspunkt.

Und dann wird eines frühen Morgens Peter Bertel tot aufgefunden - Herzversagen attestiert der herbeigerufene Notarzt flugs. Obwohl Peter sich am Tag zuvor bei Ellen Roth noch wegen angeblicher Schwindelanfälle hatte untersuchen lassen (erst später erfährt die Ärztin, dass er der Frauenschwarm des Ortes war). Eine Untersuchung, die nichts Besorgniserregendes ergeben hatte. Roth will deshalb die Leiche obduzieren lassen, der Notarzt sperrt sich.

Die junge Ärztin scheint erneut traumatisiert - hat sie wieder eine Fehldiagnose gestellt? Wiederholt sich, was sie schon in der Hamburger Klinik den Job gekostet hat? Doch Aufgeben ist ihre Sache nicht - sie ermittelt auf eigene Faust, und siehe da: Bertel ist ermordet worden. In seinem Hautgewebe finden sich Spuren von Pestiziden. Roth aber gerät in große Gefahr.

Es ist vor allem das spielstarke Schauspielerensemble, das diesen ZDF-Film überaus beachtenswert macht - wunderbar auch Jörg Hartmann (der neue "Tatort"-Kommissar aus Dortmund), der als Freund der Ärztin mit sensibler Coolness überzeugt.

"Herzversagen" ist ein TV-Kriminalfilm, der die Rundfunkgebühren einmal wieder lohnt. Wäre da nicht diese ärgerliche kurze Schlussszene, die ein harmoniesüchtiger Redakteur in das Drehbuch (Sven Poser) hineinredigiert haben muss. Ansonsten hätte alles richtig gut sein können.

"Herzversagen" Mo 20.15, ZDF