Bisher durften bei RTL nur Alexander Kluges DCTP und die AZ Media als unabhängige Anbieter senden. Bald neue Konkurrenten?

Hamburg. Von den Bewerbern tragen viele Namen, die in Medienkreisen einen guten Klang haben: Mit dem Verlag M. DuMont Schauberg ("Frankfurter Rundschau", "Berliner Zeitung") und der Madsack-Gruppe ("Hannoversche Allgemeine Zeitung") sind zwei der größten deutschen Zeitungshäuser mit von der Partie. Das Zeitschriftenhaus Burda ("Focus", "Bunte") ist dabei, aber auch die DCTP des Filmemachers Alexander Kluge, an der unter anderem der "Spiegel" beteiligt ist.

Der ehemalige Chefredakteur des Nachrichtenmagazins Stefan Aust hat sich beworben, der einstige Spiegel-TV-Geschäftsführer Cassian von Salomon ebenfalls. Der TV-Journalist Ulrich Meyer ("Akte 2012") hat seinen Hut ebenso in den Ring geworfen wie der Ex-Mann von Sabine Christiansen, Theo Baltz, der einst deren ARD-Talk produzierte. Auch die preisgekrönten Dokumentarfilmer Stephan Lamby ("Die Eurokrise") und Leopold Hoesch ("Das Drama von Dresden") haben Bewerbungen eingereicht.

Sie alle wollen als unabhängige Produzenten bei RTL auf Sendung gehen. Zählt man sie alle zusammen, kommt man auf insgesamt 19 Bewerber, von denen sich einige in Konsortien zusammengeschlossen haben. Der Rundfunkstaatsvertrag schreibt Privatsendern vor, deren Marktanteil bei über zehn Prozent liegt, sogenannten unabhängigen Drittanbietern Sendezeit einzuräumen. Bei RTL sind seit Einführung der Drittsendelizenzen 1999 aber nur zwei Anbieter zum Zuge gekommen: Kluges DCTP, die traditionell Sendezeiten am Sonntag, Dienstag und Mittwoch belegt, und die vom ehemaligen RTL-Journalisten André Zalbertus gegründete AZ Media, die mittlerweile der Madsack-Gruppe gehört und bisher bei RTL sonntags und montags auf Sendung geht.

Angesichts dieser Vergabepraxis, über welche die Niedersächsische Landesmedienanstalt (NLM) wacht, ist es erstaunlich, dass sich so viele Produzenten wie nie zuvor um die Sendeplätze beworben haben. Das hat zwei Gründe: So klagten im Frühjahr die unterlegenen Bewerber N24 und Ulrich Meyers Meta-Productions erfolgreich gegen die Vergabe der Drittsendezeiten bei Sat.1, die, wie schon in den Jahren zuvor, an die DCTP und die Firma des Mainzer Produzenten Josef Buchheit News and Pictures gehen sollten. Auch der Sender selbst ging gegen die Entscheidung der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt vor, weil Buchheit seiner Meinung nach zu viel Geld für seine Zulieferungen verlangte. Nun müssen die Sendezeiten neu ausgeschrieben werden. Grund zwei: Auch die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) monierte, dass auf den Drittsendeplätzen von Sat.1 und RTL immer dieselben Bewerber zum Zuge kommen.

Nicht wenige der Bewerber lassen sich schon vor der Entscheidung (Mitte November könnten sich RTL und NLM auf Kandidaten einigen, die dann Ende Januar in Abstimmung mit der KEK bekannt gegeben würden) von Anwaltskanzleien beraten. Wie etwa wird sich die klagefreudige Burda-Tochter Focus TV verhalten, sollte sie nicht zum Zug kommen? Sie hat sich auf die bisher von der DCTP bespielten Sendezeiten beworben. Statt "Spiegel TV", "Stern TV" und Kluges Kultur-Betrachtungen will sie dort das Magazin "Focus TV", ein Europa-Magazin und ein Kultur-Format zeigen, in dem es um Meisterwerke der Kunstgeschichte gehen soll. Bei Focus TV vertritt man die Ansicht, dass die DCTP kein von RTL unabhängiger Anbieter sei, weil an der Firma auch der "Spiegel" beteiligt ist, an dem die Bertelsmann-Tochter Gruner + Jahr eine Sperrminorität hält. RTL wiederum gehört ebenfalls zum Bertelsmann-Reich.

Kein Selbstgänger dürfte auch die nochmalige Bewerbung von AZ Media werden. Die Madsack-Tochter hat sich neben der angesehenen evangelischen Produktionsfirma Eikon Nord und dem Ex-"Spiegel TV"-Mann Salomon auch die Kölner Sagamedia mit an Bord geholt. Sie produziert Scripted-Reality-Formate wie "Mitten im Leben", die vorgeben Dokumentationen aus dem Hartz-IV-Milieu zu sein, in denen tatsächlich aber nach Drehbuch geflucht wird. Bereits heute produziert die Berliner Filet Film für AZ Media das Boulevardmagazin "30 Minuten Deutschland". Dort wurde vor zwei Jahren nicht etwa kritisch sondern äußerst positiv über "Deutschlands erstes Teenie-Bordell" berichtet, in dem 18- und 19-jährige Huren anschaffen. Ob das im Sinne des Gesetzgebers ist, der Sendeplätze für unabhängige Dritte vorrangig Kultur-, Bildungs- und Informationsformaten vorbehalten wollte?