Der Festival-Chef Albert Wiederspiel über Filmtitel und ihre Tücken. Seinetwegen heißen viele Jungen in Ostdeutschland Kevin.

Hamburg. Seit 2003 leitet Albert Wiederspiel, 51, das Filmfest Hamburg. Der gebürtige Pole studierte Filmwissenschaft in Paris.

Hamburger Abendblatt: Herr Wiederspiel, lassen Sie uns über Filmtitel sprechen!

Albert Wiederspiel: Ein entsetzliches Thema.

Aber auch ein sehr schönes.

Wiederspiel:

Wir diskutieren jedes Jahr, denn wir lassen die Filme im Programm unter ihrem englischen Titel laufen. Wenn ein israelischer Film bei einem deutschen Festival läuft und einen englischen Titel hat, ist das ein bisschen sinnentleert. Der Titel existiert oft nur in der Festivallandschaft und nur so lange, bis der Film einen Verleiher gefunden hat. Die meisten Festivals haben für die Titel gar kein richtiges System. In München laufen die Filme mit Originaltiteln, darunter steht der englische. Das ist manchmal irrsinnig schwierig, denn einen chinesischen Originaltitel kann doch niemand aussprechen, wenn er sich eine Kinokarte kaufen will.

Filme aus dem Ausland laufen nicht nur auf Festivals, sondern kommen auch ganz regulär ins Kino. Hat man in Deutschland ein Filmtitel-Problem?

Wiederspiel:

Ja. Das hängt mit dem Verhältnis der Deutschen zu ihrer Sprache zusammen. Ich rede da ein bisschen wie ein Außenseiter, denn ich bin nicht in diese Sprache hineingeboren (Wiederspiels Muttersprache ist Polnisch, d. Red.). Offenbar empfinden die Deutschen ihre eigene Sprache nicht als sexy. Alles Englischsprachige klingt für sie cooler und besser. Leider fährt auch das deutsche Fernsehen schon seit Jahren eine ziemlich niedrige Titelkultur. Das ist tragisch. Es gab Jahre, da hatten mehr als die Hälfte der Filme in der TV-Sektion das Wort "Tod" im Titel. In diesem Jahr ist das angesagte Wort dort "mörderisch". Offenbar hat man genaue Vorstellungen davon, wie die Filme heißen müssen, damit die Quote stimmt.

Unterschätzen die Sender da nicht ihre Zuschauer?

Wiederspiel: Sehr gut möglich. Die Filme werden dadurch unter Wert verkauft. Die Worte "Tod" und "mörderisch" haben den Beigeschmack eines billigen Ermittlerkrimis.

Sie waren früher auch einmal Verleihchef. Wie entstehen dort die Titel?

Wiederspiel: Durch endlose Diskussionen. Bei US-Filmen muss man den Amerikanern dann oft noch erklären, was der deutsche Titel bedeutet, um das letzte Okay von ihnen einzuholen. Oft verwendet man ja Idiome, die sich nicht so leicht erschließen. Die Titelfindung zählt mit zu den schwierigsten Aufgaben eines Verleihers.

Nennen Sie bitte ein paar gelungene deutsche Titel!

Wiederspiel: "Stirb langsam" als Übersetzung von "Die Hard". Große Diskussionen gab es mit den Amerikanern über "Home Alone". Wir waren der Ansicht, dass man in Deutschland einen Vornamen mit einbauen sollte. Es ist dann "Kevin allein zu Haus" geworden. Kinder mögen Titel mit Namen darin. Der Film hat im Osten der Republik eine Namenswelle ausgelöst.