Von Harburg aus liefert der Indie-Vertrieb Indigo seit 20 Jahren handverlesene Musik, die erfolgreichste Künstlerin im Sortiment ist Adele.

Hamburg. Adele, immer wieder Adele. Die Wände im Turm an der Schlachthofstraße 36 in Harburg sind gepflastert mit Auszeichnungen für die englische Popsängerin. 14 Platin-Auszeichnungen erhielt sie allein in Deutschland für ihre beiden Alben "19" und "21", für eine Live-DVD und für drei Singles. Mit 140 000 Alben-Downloads von "21" führt sie diese Statistik in Deutschland ebenfalls an. "Ja, Adele lief ganz gut", sagt Anders Sjölin und grinst zufrieden. Der Schwede ist Verkaufsleiter des in Hamburg beheimateten Tonträger-Vertriebs Indigo, Adele ist zurzeit die erfolgreichste Künstlerin dieses Indie-Vertriebes mit einer langen Geschichte. Gestern feierte Indigo mit einer internen Party im Café Schöne Aussichten sein 20-jähriges Bestehen.

Gegründet wurde der unabhängige Vertrieb 1992 von Jörn Heinecker, Albrecht Boehm und Nikel Pallat. Die drei hatten bereits seit Mitte der 80er-Jahre bei EFA Medien zusammengearbeitet, einer kleinen Vertriebsfirma, die sich um Bands und deren Labels kümmerte, die nicht von Major-Firmen wie Warner, EMI, BMG und Sony vertreten wurden, aber dennoch ein funktionierendes System brauchten, um ihre Platten in die Läden zu bekommen.

"Der Antrieb, Indigo zu gründen, entsprang aus der gemeinsamen Liebe zur Musik. Wir hatten ein Feld gefunden, das uns Spaß gemacht hat. Wir konnten Handel mit mehreren Hundert Plattenläden in Deutschland führen und inhaltliche Akzente für Künstler setzen, die uns besonders am Herzen lagen", sagt Jörn Heinecker. Wobei es zur Philosophie von Indigo gehört, sich um jeden Künstler und jedes Label noch persönlich zu kümmern.

Vor zwei Jahrzehnten gehörten vor allem deutsche Indie-Labels wie What's So Funny About, Strange Ways, Normal und Trikont zu den Vertriebspartnern von Indigo. Inzwischen ist die Zahl auf mehr als 200 angewachsen, der Marktanteil konnte von 0,3 auf 3,0 Prozent gesteigert werden. Auch viele internationale Labels haben sich Indigo als Partner ausgesucht wie die britische Beggars Group, die Künstler wie Adele, Jack White und The XX unter Vertrag hat, oder das Anti-Label mit Tom Waits als bekanntestem Künstler.

+++ Bernd Dopp ist der Mann, der die Stars macht +++

"Unsere inhaltlichen Schwerpunkte liegen bei sogenannten Indie-Künstlern und bei Weltmusik, wir vertreiben inzwischen auch Art-House-Filme, nur von Metal lassen wir die Finger, weil wir davon keine Ahnung haben", so Sjölin, der seit Mitte der 90er-Jahre für Indigo arbeitet.

Jeden Monat bringt Indigo im Schnitt 60 neue Titel auf den Markt. "Sofern wir mehr veröffentlichen, könnten wir das Niveau nicht mehr halten", sagt Heinecker über seine Strategie. "Unser Bestreben ist es, dass unsere Labelbetreuer auch bei kleinen Themen versuchen, den richtigen Weg zu finden, um möglichst viele Platten zu verkaufen. Vertrauen ist in diesem Geschäft enorm wichtig."

Jüngster Neuzugang im Kreis der Indigo-Labels ist das in Frankreich sehr populäre Wagram-Label, bei dem unter anderem die Soloplatten des kanadischen Pianisten Chilly Gonzales erscheinen. Die mehr als 60 Mitarbeiter, die in dem sechsstöckigen Turm in Harburg sitzen, kümmern sich aber auch um dynamische Firmen wie Tapete aus Hamburg, Glitterhouse, das vor allem amerikanische Folk- und Countryrocker herausbringt, und Dutzende von Kleinstlabels, die oft nur eine Handvoll Alben pro Jahr veröffentlichen.

Auch wenn Indigo sich erfolgreich auf die neuen Marktverhältnisse eingestellt hat mit zunehmendem Verkauf über Downloads und einem extrem konzentrierten Handel, der vor allem über große Elektro-Kaufhäuser und den Online-Riesen Amazon läuft, trauern die Indigo-Betreiber den Zeiten hinterher, als es noch Hunderte von kleinen Plattenläden in Deutschland gab, die vor allem von Musik-Nerds geführt wurden. "Es hat schon viel Spaß gemacht, wenn man durch eine besondere Verkaufsaktion in einem Laden 100 oder 200 Platten verkaufen konnte", sagt Heinecker. Überraschungen sind heute die große Ausnahme, weil in den großen Läden vor allem CDs stehen, die in den Charts sind oder massiv beworben werden.

Etwa 100 unabhängige Plattenläden gibt es nur noch in Deutschland, Indigo versucht diese Läden gezielt zu unterstützen, damit am Ende nicht nur große Ketten übrig bleiben. Und dass auch unabhängige Firmen riesige Umsatzzahlen schaffen können, beweist das Beispiel Adele. Bei Indigo freuen die Mitarbeiter sich jetzt auf den 7. September und das Erscheinen von "Coexist", dem zweiten Werk der Londoner Band The XX.

Das könnte der nächste große Hit für Indigo im Jubiläumsjahr werden.