Wie das Abendblatt ungewollt fast das Fest zum Jubiläum des Medienmagazins sprengte. “Diese Frage darf man nicht stellen“ - und dann doch.

Hamburg. Das Schicksal nahm seinen Lauf, als ich schräg rechts hinter mir etwas rot aufblitzen sah. Dieses rote Etwas war das Kleid der "Zapp"-Moderatorin Anja Reschke, die mit einem Mikrofon bewaffnet hinter meiner Stuhlreihe stand. Ich ahnte, was jetzt kommen würde.

Das NDR-Medienmagazin "Zapp" hatte zur Feier seines zehnjährigen Bestehens auf das Sendergelände in Lokstedt geladen. In Haus 14 saßen NDR-Intendant Lutz Marmor und "Zapp"-Redaktionsleiter Steffen Eßbach auf dem Podium. Und Anja Reschke hatte gerade zusammen mit ihrer ganz in Grün gewandeten Kollegin Inka Schneider das hauptsächlich aus Medienjournalisten bestehende Auditorium aufgefordert, dem Duo auf dem Podium Fragen zu "Zapp" zu stellen. Sie selbst würden es sich vorbehalten, auf den einen oder anderen Gast zuzugehen.

Und genau das tat Reschke dann auch: "Herr Renner", sagte sie, trat einen Schritt nach vorn und hielt mir ihr Mikrofon hin, "was wollten Sie schon immer über ,Zapp' wissen?" Als sie noch hinter mir stand, hatte ich mir bereits überlegt, was ich ihr entgegnen würde. Ich hätte Marmor und Eßbach fragen können, ob die Chance besteht, dass "Zapp" ins Erste kommt. Aber genau diese Frage hatte ich knapp zwei Wochen zuvor dem NDR-Fernsehdirektor Frank Beckmann gestellt. Er hatte geantwortet, dass es einzelne "Zapp"-Beiträge über das Politmagazin "Panorama" ja schon in der Vergangenheit ins Erste geschafft hätten. Das Medienmagazin selbst werde aber wohl im NDR-Fernsehen bleiben.

Diese Frage schied also aus. Aber ich hatte nun die Interviewsituation mit Beckmann im Kopf. Und mit einem Mal erinnerte ich mich an eine Frage zu "Zapp", die mir der Fernsehdirektor damals nicht beantwortet hatte: Ich wollte von ihm wissen, ob es nicht etwas unglücklich sei, dass seine Lebensgefährtin ausgerechnet für die Redaktion von "Zapp" arbeitet. Schließlich ist das Magazin stolz darauf, nicht nur über Missstände bei anderen Medien zu berichten, sondern auch darüber, was im eigenen Haus, also der ARD und dem NDR, so schiefläuft. Ist es bei diesem Anspruch wirklich hilfreich, wenn die Lebensgefährtin eines der ranghöchsten NDR-Manager, der in der Vergangenheit auch schon Objekt der "Zapp"-Berichterstattung war, Mitglied der Redaktion des Medienmagazins ist?

Die Lebensgefährtin Beckmanns beschäftige sich grundsätzlich nicht mit Themen, die die ARD betreffen, antwortete Eßbach. Damit hätte die Sache eigentlich erledigt sein können, aber nun meldete sich Beckmann, der in der ersten Reihe saß, selbst zu Wort. Eine solche Frage habe einen Geschmack, schimpfte er. Man dürfe sie eigentlich gar nicht stellen. So ähnlich hatte der Fernsehdirektor schon im Interview auf meine Frage regiert. Ich wollte Beckmann antworten, doch da war Anja Reschke samt ihres Mikros schon wieder entschwunden. Stattdessen fragte nun der Vorsitzende der Deutschen Journalisten-Union (dju), Ulrich Janßen, seit wann es denn Fragen gebe, die man dem NDR nicht stellen dürfe. Die Frage sei doch gestellt und beantwortet worden, entgegnete NDR-Intendant Marmor, der damit die Situation zumindest ein bisschen rettete.

Dennoch war auf der anschließenden Party Beckmanns Reaktion auf meine Frage das Gesprächsthema. Mir war das ein wenig unangenehm, denn ich wollte mit der Frage nicht die Feierlichkeiten zum "Zapp"-Jubiläum sprengen. Das Medienmagazin ist nämlich das einzige seiner Art im deutschen Fernsehen. Und auch wenn es, wie ein Kollege in der Fragerunde bemerkte, früher etwas bissiger war, ist es nach wie vor ganz ausgezeichnet. Zu seinen besten Beiträgen gehört ein Stück, in dem "Zapp" enthüllte, wie Journalisten von ARD und ZDF als Moderatoren bei Galas von Unternehmen absahnen und so ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel setzen. Auch NDR-Kollegen verschonte "Zapp" dabei nicht. Wie brisant die Recherchen des Magazins innerhalb der ARD waren, zeigte sich auch daran, dass eine Zeit lang der MDR jede Stellungnahme gegenüber "Zapp" ablehnte und der HR der Sendung kein Bildmaterial zur Verfügung stellen wollte.

Nach wie vor hat "Zapp" einen Ruf wie Donnerhall. Mit Fred Kogel reiste einer der führenden deutschen TV-Manager extra aus München zum Jubiläum an. Kogel war einst Unterhaltungschef beim ZDF und Geschäftsführer von Sat.1. Heute berät er die Constantin Medien und produziert Harald Schmidts Late-Night-Show. In einer etwas länglichen Podiumsdiskussion tauschte er sich auf der "Zapp"-Veranstaltung mit einer Medienwissenschaftlerin, einem Internet-Guru und dem NDR-Chefredakteur Andreas Cichowicz über die Zukunft des Fernsehens aus. Dann fand der Kabarettist Christian Ehring ("Extra 3", "heute-show") noch ein paar launige Worte zum "Zapp"-Jubiläum, bevor meine Frage Beckmanns aufbrausende Reaktion provozierte.

Im Laufe des Abends erfuhr ich dann noch von höchster Stelle, dass man dem NDR als Journalist selbstverständlich jede Frage stellen kann. Ich habe daran auch nie gezweifelt. Und, das ist der erfreulichste Aspekt dieser Geschichte: Nun weiß es wirklich jeder. Auch Frank Beckmann.