Mit dem kostenfreien Tagesschau-Angebot für iPhones machen die Öffentlich-Rechtlichen den privaten Nachrichten-Anbietern Konkurrenz.

Hamburg. Auf den ersten Blick ist es eine Petitesse. Eigentlich geht es nur um einige 100 000 Menschen, die in Deutschland ein iPhone der Marke Apple besitzen. Diese recht übersichtliche Zielgruppe will die ARD vom ersten Quartal 2010 an mit einer kostenlosen Anwendung der "Tagesschau", einer sogenannten App, für ihr Luxushandy beglücken. Die Verbände von Privatsendern, Zeitungs- und Zeitschriftenverlegern laufen Sturm gegen diese Pläne.

Bei der ARD mag man die Aufregung nicht verstehen. Bei der "Tagesschau"-App handele es sich nicht um ein neues Angebot, sagt ein Sprecher, sondern um "seit Jahren verfügbare Inhalte", die lediglich für das iPhone optimiert würden.

Die Frage ist nur, warum dies ausgerechnet jetzt geschehen muss: Seit dem 9. Dezember bietet die Axel Springer AG, in der auch das Abendblatt erscheint, für "Bild" und "Welt" kostenpflichtige Apps an. Der "Spiegel" wird im Januar oder Februar eine App auf den Markt bringen, mit der man sich gegen Gebühr alle Inhalte des gedruckten Nachrichtenmagazins aufs Handy holen kann. "Da ist es kniffelig, wenn uns die Öffentlich-Rechtlichen an dieser Front Konkurrenz machen", sagt "Spiegel"-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron. Derweil entwickeln sich die Springer-Angebote vielversprechend. Sowohl die App von "Bild" als auch die der "Welt" zählen zu den Bestsellern des App Stores.

Soweit sich das jetzt schon sagen lässt, gibt es für kostenpflichtige journalistische Handy-Inhalte einen Markt. Das sind gute Nachrichten für die gebeutelten Verlage, die bisher weitgehend vergeblich versuchten, Bezahlinhalte im Internet zu etablieren. Käme nun in Gestalt der ARD ein Anbieter mit kostenlosen Inhalten daher, würde das zarte Pflänzchen mobiler Bezahlinhalte aber schnell eingehen.

"Ein kostenloses öffentlich-rechtlich finanziertes ,Tagesschau'-App in einer besonders empfindlichen Markteinführungsphase führt eindeutig zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber den privaten Anbietern", sagt der medienpolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Burkhardt Müller-Sönksen. Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär, die auch Mitglied des Bundestagsausschusses für Kultur und Medien ist, findet: "Die Pläne der ARD haben mit dem öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrag nichts mehr zu tun." Mit Grundversorgung lässt sich kaum begründen, warum ein paar 100 000 iPhone-User Anspruch auf kostenlose Nachrichten haben sollen, zumal es sich bei ihnen eher um wohlhabende Zeitgenossen handeln dürfte: Mit Monatsgebühren bis zu 120 und Gerätepreisen bis zu 340 Euro ist das iPhone eines der teuersten Handyangebote.

Für die Verlage ist die gut betuchte iPhone-Klientel die ideale Basis, um einen Markt für mobile Bezahlinhalte zu etablieren, der eines Tages ein Massenmarkt werden könnte, wenn die ARD nicht mit Gratisangeboten dazwischenfunkt. Dies ist für die Online-Ausgabe des Fachblatts "Horizont" aber ausgemachte Sache: Dort glaubt man, dass "die ,Tagesschau'-App eine Monokultur bei Digital-News vorbereitet". Finanziell können sich die öffentlich-rechtlichen Sender das leisten. Sie verfügen über Gebühreneinnahmen von knapp acht Milliarden Euro im Jahr, wovon ein dreistelliger Millionenbetrag auf Internet- und Mobilangebote verwendet werden dürfte. Davon können die unter Anzeigeneinbrüchen leidenden Verlage nur träumen.

ARD und ZDF dürfen sich dagegen schon auf 2013 freuen. Dann steigt die Rundfunkgebühr für Haushalte, die weder Radio noch Fernseher, dafür aber einen PC oder ein Smartphone besitzen, von 5,76 auf 17,98 Euro. Die "FAZ" sieht einen Zusammenhang mit der "Tagesschau"-App: "Wenn man für das Internet Gebühren verlangt, dann muss man natürlich auch etwas dafür bieten, ob die Nutzer es wollen oder nicht", kritisiert das Blatt. Von Rundfunkpolitikern erwartet es in dieser Causa nichts.

Der Rundfunkreferent des Hamburger Senats, Staatsrat Nikolas Hill, sieht die Sache differenziert: "Man wird genau darauf achten müssen, dass die ARD über das iPhone keine veränderten Inhalte anbietet", sagt er. Wenn die "Tagesschau"-App aber identisch mit den Angeboten sein sollte, die es für andere Mobilplattformen gibt, sei das nicht zu beanstanden. ARD und ZDF müsse jeder Verbreitungsweg offenstehen.

Ob die Internet- und Mobilangebote der ARD überhaupt dem öffentlich-rechtlichen Auftrag entsprechen, ist ungewiss. Gegen das im Juni von der ARD vorgelegte "Telemedienkonzept tagesschau.de" gab es Einwendungen, die NDR-Intendant Lutz Marmor erwiderte, dessen Sender die "Tagesschau" verantwortet. Die ARD-Gremien müssen bis zum 31. August 2010 in der Sache - und damit auch über die App - abschließend entscheiden.