Seal genießt Superstar-Bonus bei einer an Höhepunkten arme Show, die nach dem Prinzip Wiedererkennung funktioniert.

Hamburg. Beim Marsch wird mitgeklatscht. Das ist beim Schützenumzug durch Kirchwerder so und in der O2 World nicht anders. 20 000 Hände schlagen im Takt aneinander. Wie auf Knopfdruck. Jeder kennt diese Gassenhauer, egal ob sie nun "Preußens Gloria" oder "Deutschmeister" heißen. Das ist wie ein Stück deutscher Seele zum Auftakt der Night of the Proms, der alle im Saal mitreißt: das Rentner-Ehepaar, das wegen der schönen Stimmen der Divas gekommen ist, genauso wie die 18-Jährige im Stanfour-T-Shirt.

Die Klassik-Pop-Nacht will E- und U-Musik miteinander verbinden, und dafür wird groß aufgefahren: 60-Mann-Orchester, 20-köpfiger Chor, eine Electric Band, ein paar Solokünstler aus dem Pop-Mainstream sowie als Moderator Uwe Bahn, der mit seinem Glitzerjackett aussieht wie ein drittklassiger Entertainer in einem englischen Seebad. Bahn führt mit Bonmots wie "E steht für klassisch, U für Haschisch" durch die dreistündige Show.

Das Prinzip des Abends lautet Wiedererkennung. Egal ob Klassik, Marsch, Musical oder Pop, jeder Musikhappen ist sofort erkennbar und animiert zum Mitklatschen oder Mitsingen. Wenn ein Klassikthema nicht ganz so präsent ist, hilft Anna Maria Kaufmann und erklärt wortreich das nächste Orchesterstück als Leinwand-Einspielung. "Time To Say Goodbye" muss nicht angesagt werden, das ist ein Selbstgänger, zur Musik aus "König der Löwen" gibt es Filmausschnitte als Gedächtnisstütze, die Songs der Disco-Legende Chic wie "Good Times" oder Seals Hits von "Kiss From A Rose" bis zu "Crazy" kennt auch jeder.

Als Heidi Klums singender Ehemann zum Ende der Show auf die Bühne kommt, wird es zum ersten Mal richtig euphorisch im Saal. Seal genießt eben den Superstar-Bonus.

Der Lichtblick einer an Höhepunkten armen und anbiedernden Show war aber der Auftritt von Alison Moyet. Als die englische Sängerin, die in den 1980er-Jahren als eine Hälfte des Elektro-Pop-Duos Yazoo bekannt wurde, "That Old Devil Called Love", "All Cried Out" und "Don't Go" sang, war das der stärkste Moment des Abends. Von der stimmgewaltigen Moyet hätte man gern noch mehr gehört als nur drei Songs.