Onkel Hans hieß eigentlich Heinz, wollte aber später, dass wir ihn Martina nannten oder Juana, was spanisch sei und ebenfalls Martina heiße. Mein Onkel war nicht wirklich das, was man einen Seefahrer nannte. Obwohl er meiner Tante immer wieder versicherte, nun ginge es wieder an Bord, sie anschließend küsste und mit Matrosenmütze und einem Aktenköfferchen das Haus verließ, mit dem er drei Monate später wieder zurückkehrte. Dann prangte stets ein neuer Aufkleber darauf, auf dem "Übersee" stand. Oder "Südsee." "Madagaskar." Drei Monate, die mein Onkel draußen auf dem Spielplatz am Paulinenplatz verbrachte. Sich nicht wusch, nicht kämmte und so wenigstens nach Übersee roch, als er heimkehrte.

Wir alle wussten, dass mein Onkel nicht zur See fuhr; der Spielplatz, auf dem er schlief, lag nicht weit von unserem Haus entfernt. Nur meine Tante glaubte daran. Auch dank der Karten, die Onkel schrieb, auf denen vorn "Übersee" stand und hinten Heinz.

In den Sommermonaten lag er auf einer der Bänke und trank, damit die Zeit schneller verging. Im Winter begann er zu tanzen, um der Kälte Herr zu werden. Er hatte Zehen verloren und erklärte, das sei Skorbut.

Jahre ging es so, und auch wenn aus meinem Onkel kein Seefahrer wurde, so wurden doch seine Tänze immer passabler, und eines Tages entdeckten ihn Männer mit Bärten dort auf dem Spielplatz an einer der Stangen, wie er halb nackt mit schwammig vibrierendem Oberkörper zu Musik tanzte, die er selbst mit dem Mund machte.

Damals noch zog man sich, auch in Hamburg, in Stille und Dunkelheit aus, und erst an diesem Tag erkannte man das Potenzial des Nacktgeschäfts. Man engagierte ihn. Und so wurde mein Onkel die erste Nackttänzerin auf der Reeperbahn. Den tanzenden Wal Martina, nannten sie ihn.

Unter dem Motto "Matrosenmütze und Netzstrumpf" gibt es am 27.9. eine Führung auf St. Pauli. Ich glaube, es geht dabei um ihn.