Charlie Watts, Ringo Starr, Dave Lombardo, Billy Higgins und viele weitere haben gezeigt: Ohne Schlagzeuger geht es nicht. Aber mit auch nicht.

"Jungs, in fünf Minuten geht's los", rief der Mischer und schloss wieder die Tür des Backstageraums im Logo. Wir rissen die Bierkannen aus dem Kühlschrank wie Kanoniere ihre Geschosshülsen. Sperrfeuer auf eigene Position! Es war unser erster Auftritt in einem richtigen Klub. In der Großstadt. Gut, es war nur einer dieser belanglosen Bandwettbewerbe ("Euro-Rock 94"), aber wenn man vorher nur in der Schulaula gespielt hat, schien das Logo so sagenumwoben aufregend wie Woodstock.

Wir hatten keine Chance gegen die neun konkurrierenden Bands. Wer spielte damals noch Heavy Metal? Bruce Dickinson hat Iron Maiden verlassen, Rob Halford kehrte Judas Priest den Rücken. Und Lars Ulrich, Trommler von Metallica, erklärte Metal für tot, schnitt sich die Matte ab und schmierte sich Kajal um die Augen. Unser Bandname "Gallow" war nicht nur sprachlicher Unfug wie unsere hanebüchenen Liedtexte, er klang auch so bescheuert wie unsere Songs. Das meinte auch unser erster Trommler und strich zwei Wochen vor dem Logo-Gig Felle und Segel. Und finde mal einen Neuen!

Das Problem an Schlagzeugern war, dass die besten dazu neigten, an den Nebenwirkungen ihrer Süchte zu sterben. Keith Moon von The Who, John Bonham von Led Zeppelin oder Razzle von Hanoi Rocks wurden so zu früh abberufen, andere wie Creams Ginger Baker entkamen dem Grimmen Schnitter nur knapp. Zum Glück, schließlich waren (und sind) Legenden wie Santanas Michael Shrieve, Stewart Copeland von The Police oder Slayers Dave Lombardo die Taktgeber des Rock 'n' Roll. Sie hielten den Laden zusammen. Jazz-Größe Billy Higgins oder Metal-Monster Gene Hoglan standen für maximale Lässigkeit, egal wie wild es im Lied zuging. Nicht zu vergessen die bemerkenswerten Fellgerberinnen Cindy Blackman (Lenny Kravitz), Sheila E. (Prince) oder Maureen Tucker (Velvet Underground). Letztere spielte übrigens wie Bela B. gern im Stehen.

Aber Mann oder Frau musste kein großer Virtuose an den Kesseln sein, um Berühmtheit zu erlangen. Der sture, präzise Beat von Charlie Watts prägte die Dynamik der Rolling Stones so eindeutig wie das charmante Holpern von Meg White den Krach der White Stripes. Und dann war da noch Ringo Starr, der Beatle, der sich sein einziges Solo für den letzten Song auf dem letzten Album "Abbey Road" aufhob. "The End". Oft wurde er unterschätzt, aber sein Spiel bei "A Day In The Life" war ein schöner Beweis dafür, dass man mit wenig Einsatz sehr viel erreichen kann.

"With A Little Help From My Friends" hatten auch wir kurzes Glück. Eine Woche vor dem Logo-Konzert trieb unser Leadgitarrist den Schlagzeuger einer befreundeten Band auf, der bereit war einzuspringen. "Aber nur für diesen Auftritt." Nach einer Probe hatte er unsere drei Wettbewerbslieder drauf. Ein Könner!

Wir enterten als Erste die Logo-Bühne und machten uns zum Lappen. Der Sänger verhedderte sich in der Mikrostrippe, ich trat auf mein Basskabel und zog so den Stecker raus, der Sound war Grütze. Aber das Trommeltier gab alles. Der Applaus war wohlwollend, doch während andere Bands Dutzende Fans dabeihatten, konnten wir nur einen sicheren Stimmzettel aufbieten. Von Daniel, einem Kumpel, der sich an der Bar zielstrebig volllaufen ließ.

Die Zettel wurden ausgezählt, der Sieger verkündet. "Und auf dem zweiten Platz, mit nur einer Stimme Rückstand ... Gallow!" Immerhin! Begeistert schleppten wir unser Zeug zur Bushaltestelle. Daniel fingerte nach der Gruppenkarte ... "Ouhscheisä!" ... und zog seinen Stimmzettel aus der Tasche. Wir hätten ihn vermöbeln können. Aber wir bestraften ihn schlimmer: Am nächsten Tag war er unser neuer Schlagzeuger. Der Beste, den wir je hatten.