Der viel zu unbekannte Hamburger Songwriter Wolfgang Müller hat ein wundervolles und tief berührendes Album veröffentlicht.

Hamburg. Die Musik und die Stimme von Wolfgang Müller zu hören, das bedeutet: der Welt den Rücken zu zeigen, um ihr etwas näher zu kommen. Sich für die Länge eines Liedes umhüllen zu lassen. Von einem, der über die Liebe singt, von alter und gescheiterter, der Miniaturen über das Leben schreibt, von festen und solchen, die in der Schwebe sind. Dazu spielt er seine Gitarre, als wären es drei. Zwei Platten hat der Hamburger bislang herausgebracht: "In der Zwischenzeit" und "Gegen den Sinn" heißen sie. Nun folgt "Ahoi" mit 14 Songs, zwei neuen und zwölf Liedern, die er solo neu arrangiert und aufgenommen hat. Was dabei entstanden ist, ist beste Poesie: ein Traum - und dabei sehr real.

In Müllers Liedern gibt es keine konkreten Orte; seine Welt ist das Innere, das er nach außen kehrt - und umgekehrt. Da laufen dann Paare "nebeneinander her, aber immer unterschiedlich schwer." Da werden keine Herzen gebrochen, sie leiern aus. Da will einer, sie will nicht, doch "mit jeder kalten Schulter kommt sie ein Stück zurück". "Und dann geht die Sonne auf, als alles noch schläft, und dann stehen wir auf, fast wie von selbst" und "dass ich dich mag, hab ich mir heimlich gemerkt".

"Die Augen des anderen sind das Einzige, in dem man sich spiegeln kann und sich trotzdem liebt, weil man nicht nur sich selber sieht", singt Wolfgang Müller. Und das ist falsch. Denn auch in seinen Songs kann man sich spiegeln, sich selbst darin entdecken; über manche Texte kann man stundenlang nachdenken und wird feststellen, dass sie auch danach noch Bestand haben. Das ist nicht immer so - entpuppen sich doch viele beim ersten Hören herausragende Zeilen deutscher Songwriter allzu oft als Wortgeklingel. Müller gelingt in seinen Liedern, was gute Dichter auszeichnet: Er verdichtet, was er sieht und fühlt, bis kein Platz mehr ist zwischen Beobachtung und Interpretation, bis das, was steht, stehen bleibt - und dennoch Luft hat zum Atmen.

Vielleicht hat es Wolfgang Müllers Musik gutgetan, dass er bislang nicht den Erfolg zum Beispiel von Gisbert zu Knyphausen hatte, mit dem er zusammen den Popkurs in Hamburg absolviert hat. Der 36-Jährige hatte so die Chance, in Ruhe älter zu werden und reifer - und sich zu überlegen, ob er überhaupt so bekannt sein möchte wie sein Kollege. "Das, was man will, ist meistens nicht das, was man braucht, was oft nicht das ist, was die Welt laut hinausposaunt, schrill und heiser, das Wesen der Dinge ist leiser", singt er im Lied "Leiser". Seine Songs sind frei von pubertär jammernden Befindlichkeiten, sie haben Größe. Und wenn man ihm eines vorwerfen kann, dann dass er zu gut Gitarre spielt - und versucht, zu viele Noten in einem Lied unterzubringen. Es ist dem Altonaer zu wünschen, dass mehr Menschen seine Songs kennenlernen - und er genau so viel Erfolg hat, wie er sich selbst wünscht.

Wolfgang Müller: Ahoi (Rintintin/Indigo)

Nächstes Hamburg-Konzert am 19.11. im Uebel & Gefährlich (mit TV Noir); www.mueller-musik.de