Gepfefferte Pointen waren ihre Spezialität. Nun gibt es eine Biografie über die Schriftstellerin Dorothy Parker - und einen Band mit Kurzgeschichten

Sie war 29 Jahre alt, verheiratet mit dem ehemaligen Börsenmakler Eddie Parker, und sie war schwanger von einem anderen. Das Kind musste sie abtreiben lassen, denn natürlich war auch ihr Liebhaber verheiratet. Sie verlor ihr Herz so leicht: "Ich lasse meins immer im Taxi liegen", sagte sie. Dann nahm sie Veronal, ein Schlafmittel. Als sie zwei Tage später erwachte, verlangte sie als Erstes einen Drink. Im Krankenhaus band sie sich blaue Schleifen um die Handgelenke. Rote Schleifen wären besser gewesen, "scharlachrot für eine Liebe, die gestorben ist". Dorothy Parker hatte den Tod ausprobiert, nun konnte sie genauso gut leben.

Und es war nicht alles schlecht im Leben, im Gegenteil: Die Tochter des jüdischen Kleiderfabrikanten Henry Rothschild (nicht verwandt mit der Bankiersfamilie), 1893 geboren, wusste sich in einer Zeit, da ein Glühwürmchen zum Star werden konnte, ins rechte Licht zu setzen. Vielleicht hatte sie den Stil und die Allüren bei der "Vogue" gelernt, wo sie Bildunterschriften und kleine Geschichten verfasste. Hier fand sie den Stoff für ihre Satiren über die Damen mit den Buttercreme-Herzen, und mit dem scharfzüngigen Gedicht "Women. A Hate Song" schaffte sie 1918 ihren Durchbruch als Kritikerin bei "Vanity Fair" - damit war sie die einzige weibliche Theaterkritikerin New Yorks.

Ihr Verdikt über die junge Katharine Hepburn, sie beherrsche "die ganze Bandbreite der Emotionen - von A bis B", wurde genauso sprichwörtlich wie ihre flapsige Bemerkung: "Men seldom make passes at girls who wear glasses." ("Männer machen sich selten an Mädchen heran, die Brille tragen").

Bei "Vanity Fair" teilte sich "Dottie" das Büro mit einem Mann, der zum wichtigsten Menschen in ihrem Leben werden sollte, Robert Benchley. Mit Mr. Benchley, wie sie ihn nur nannte, und dem späteren Bühnen- und Drehbuchautor Robert Sherwood nahm sie regelmäßig ihren Lunch im Hotel Algonquin ein. Dort, an dem runden Tisch im Oak Room, trafen sich damals ebenso regelmäßig der Klatschkolumnist Franklin P. Adams, der Autor, Produzent und Regisseur George S. Kaufman, ungekrönter König des Broadway, der Gründer des "New Yorker", Harold Ross, und der legendäre Theaterkritiker der "New York Times", Alexander Woollcott. Manchmal kamen zu der intellektuellen Tafelrunde auch der Komiker Harpo Marx, die Schauspielerin Tallulah Bankhead oder F. Scott Fitzgerald mit seiner Frau, Zelda. Die sich hier trafen, erfanden "Geistreicheleien", um sie am nächsten Tag in der Zeitung zu lesen.

Zum Schreiben inspirierte Parker allein der Geldmangel. 1934 lernte sie Alan Campbell kennen, ihren zweiten Ehemann, einen Schauspieler, elf Jahre jünger als sie. Er half ihr, als sie einen neuen Hollywood-Vertrag erhielt. Sie hasste zwar die Stadt, die mit "Goldwyn gepflastert" war, aber eine Weile war Dorothy Parker eine der höchstbezahlten Drehbuchautorinnen. In Hitchcocks "Saboteure" hatte sie 1941 sogar einen Kurzauftritt an der Seite des Regisseurs. Drehbuchschreiben sei zwar eine Arbeit für "Kretins", doch es ermöglichte ihr, "aufs Land zu ziehen und Schecks zu züchten". Und sie wurde Mitbegründerin der Anti Nazi League.

Als man sie nach Alan Campbells Tod, 1963, fragte, ob sie etwas benötige, antwortete sie: "Einen neuen Ehemann." Sie kehrte nach New York zurück, eine alte Frau, in Dirndlblusen, mit immer noch viel zu großen Hüten und einem Pudel. Sie war, so Truman Capote, "inzwischen eine solche Trinkerin, dass du nie weißt, wann sie mit dem Gesicht in der Suppe landet". Als sie 1967 starb, hinterließ sie ihr Vermögen, etwa 20 000 Dollar, Martin Luther King und der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP). Ihr Grabspruch lautet: "Entschuldigen Sie meinen Staub".

Michaela Karl hat dieses Leben in ihrer Biografie, der ersten deutschsprachigen, genau und flott nachgezeichnet, als Liebeserklärung, wie sie schreibt. Außerdem bemüht sich auch der Kein & Aber-Verlag um Parker und bringt einen Band mit Kurzgeschichten heraus, sodass neben der Legende von der unheiligen Trinkerin nun ihr schmales Oeuvre mit seinem so unnachahmlich komisch-melancholischen Ton steht.

Dorothy Parker: "Du warst ganz prima". New Yorker Geschichten. Aus dem Amerikanischen von Pieke Biermann und Ursula-Maria Mössner. Verlag Kein & Aber, 206 Seiten, 14,90 Euro

Michaela Karl: "Noch ein Martini und ich lieg unterm Gastgeber." Dorothy Parker. Eine Biografie. Residenz Verlag, 286 S., 24,90 Euro