Stadtführungen wie die Hempel's Beatles-Tour und die Kiez-Geh-Rock-Revue zeigen die musikalische Seite des Hamburger Rotlichtviertels.

St. Pauli. Über den Kiez kann man im Alleingang stromern, sich nachts zwischen bunten Lichtern und eindeutigen Angeboten treiben lassen, bei Tageslicht den verlebten Charme der alternden Diva Reeperbahn genießen. Und wandert dabei quer durch die Hamburger Musikgeschichte, ohne es zu merken. Wer sie kennenlernen möchte, sucht sich am besten einen kundigen Fremdenführer, der auch eingefleischten Hamburgern noch Neues zeigen und erklären kann.

Mit dem leicht angestaubten Image des dröge Informationen herunterrasselnden Anzugträgers, der hin und wieder einen faden Scherz in der Datenflut unterbringt, hat Stefanie Hempel gar nichts gemein. Dabei kann auch sie auf ein mehr als profundes Repertoire von Sachwissen zugreifen. Die Musikerin, die im vergangenen Jahr ihr Debütalbum "So nah dran" herausbrachte, hat sich bei ihrer Führung ganz den Söhnen Hamburgs verschrieben, die eigentlich gar keine sind: den Beatles.

Vor sieben Jahren begann sie als erste, Touristen und Einheimischen die Orte zu zeigen, die fest mit der Geschichte der Fab Four verbunden sind. Seitdem kann man mit Stefanie Hempels Hilfe die Entwicklung der Beatles von einer unbekannten Coverband bis zum Vorabend ihrer Weltkarriere in Hamburg erlaufen. Sie weiß ganz genau, wo die bekannten und unbekannten Schauplätze liegen. Dazu gehören unter anderem das ehemalige Bambi-Kino, über dem die Jungs in ärmlichen Verhältnissen lebten, und der Hauseingang, in dem das Foto von John Lennon entstand, das später das Cover seines Albums "Rock 'n' Roll" zieren sollte.

Jetzt hat sie das Konzept ihrer Führung überarbeitet. Immer noch erweckt sie das Hamburg der frühen 60er-Jahre mit Anekdoten und Musik zum Leben, neu ist, dass sie regelmäßig Zeitzeugen und Musiker einladen will. Für die Premiere der neuen Tour hat sie nicht nur ein Abschlusskonzert in der Kneipe Gretel & Alfons organisiert, in der die Pilzköpfe für einen Absacker einkehrten. Sie konnte auch den Fotografen und Begründer des St.-Pauli-Museums Günter Zint überreden, seine eigenen Erinnerungen beizutragen. Musikalisch wird sie am Sonnabend vom Songwriter Duncan Townsend unterstützt. Nicht dass sie Verstärkung wirklich nötig hätte, ihre Stimme und eine kleine Ukulele reichen, um ihre Gäste in die Zeit zu versetzen, als der Kiez noch kein Touristenmagnet war, sondern ein Tummelplatz für Seeleute und zwielichtige Gestalten.

Die Vergangenheit und Gegenwart Hamburger Musik ist auch der rote Faden der "Kiez-Geh-Rock-Revue". Und natürlich kommen auch Tiegervogel & Aal Fatal, die sympathisch-schrägen Guides, nicht ganz um die Beatles herum. Sie bilden gleichsam die Klammer des Rundgangs, der vom Beatles-Platz bis zum ehemaligen Star Club führt. Den Startpunkt wählten die beiden auch aus praktischen Erwägungen. Denn die eigentliche erste Station kennen selbst viele Einheimische nicht.

Der Hein-Köllisch-Platz liegt in Wurfweite der Reeperbahn und ist doch fast unbekannt. Mit der kleinen Freifläche wird an den Humoristen und Liedermacher erinnert, der im 19. Jahrhundert genau dort lebte und wirkte. Ein passender Beginn für den musikgeschichtlichen Rundgang mit Sachverstand und Augenzwinkern.

Vom Tüdelband-Lied der Gebrüder Wolf über die Goldenen Zitronen, Slime, Freddy Quinn und Hans Albers bis zu Udo Lindenberg und Turbonegro reicht das Repertoire der beiden. Die Mischung aus Improvisationstheater, Geschichtsstunde und Konzert macht Spaß. Denn die im besten Sinn merkwürdigsten Exemplare der Hamburger Fauna erzählen haarsträubendes Seemannsgarn und informative Hintergrundgeschichten gleichermaßen launig, sind auch gern bereit, spontane Einflüsse zum Teil ihrer Show zu machen. Drei betrunkene Iren stürmen die Zwischenstation Hans-Albers-Klause? Kein Problem, auch sie bekommen ihr Lied. Auch der ebenfalls angesäuselte Engländer, der nur wenige Meter weiter auf die Gruppe trifft, bekommt ein Lied, bevor die Tour weitergeht.

Will man den Kiez einmal anders erleben, statt schlüpfriger Witze und Rotlichtanekdoten lieber Live-Musik hören und Stadt- wie Musikgeschichte ebenso amüsant wie informativ erleben, steht man nur noch vor der Qual der Wahl, welche Tour man sich zuerst anschaut. Denn sehens- und hörenswert sind beide gleichermaßen.

Hempel's Beatles-Tour Anmeldung unter T.: 300 33 79 16, Termine: www.hempels-musictour.de

Kiez-Geh-Rock-Revue Anmeldung per E-Mail an vogelaal@vogelaal.de oder T.: 0176 / 49 04 53 00, Termine: www.kiezgehrockrevue.de