LIVE-Kolumnist Sven Amtsberg macht sich Gedanken über die Lessingtage in Hamburg und wie Perücken in Japan und Australien landen können.

Hamburg. Tue jeden Tag etwas, was sonst niemand albern genug wäre zu tun, schrieb einst Gotthold Ephraim Lessing, dem zu Ehren in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal die Lessingtage in Hamburg ausgerichtet werden. Und getreu ebenjenem Motto gehört diese Festivität mit zum Ausgelassensten, was die Hansestadt zu bieten hat.

Letztes Jahr liefen an dessen Geburtstag, am 22. Januar, Hunderte als Lessing Verkleidete durch die Straßen. Dieses Jahr rechnet man mit mehr als tausend. Doch die Geschäfte sind gewappnet. Überall kann man Lessing-Accessoires erwerben wie die weiße Perücke mit dem streng zurückgekämmten Haar und den verspielten Löckchen um den Ohren. Dazu erhält man die typischen, mit Rüschen verzierten Rollkragenhemden sowie bunte Joppen, die Lessing stets trug, damit die Muse ihn in der grauen Masse leichter fand.

Erschrecken Sie also nicht, wenn Sie in diesen Tagen auf unzählige Lessings treffen, die durch die Straßen Hamburgs ziehen und lauthals Verse dieses Bruce Lee des Wortes skandieren. An jedem Ort, den Lessing in Hamburg einmal besucht hat, wird innegehalten, bevor man sich dann am Morgen des 23. Januar auf den langen Fußmarsch nach Kamenz, in der Nähe Bautzens, aufmacht, wo Lessing 1729 geboren wurde. Von dort geht es, nach einer kurzen Stärkung mit Kamenzer Würstchen, der Leibspeise Lessings, weiter nach Braunschweig, wo er 1781 verstarb.

Am 6. Februar werden die ersten Heimkehrer in der Hansestadt zurückerwartet. Hier findet dann das letzte Ritual statt: Die Perücken werden in die Elbe geschmissen, auf der sie in die Nordsee treiben und von dort in die ganze Welt. Immer wieder erreichen uns Meldungen, dass eine von Lessings Perücken in Japan, Amerika sogar Australien an Land gespült worden ist. Und ebendiese Gewissheit, dass dadurch Lessings Geist in der Welt weiterleben wird, ist es, die die Lessingtage zu etwas ganz Besonderem macht.