Bei der ersten “Lausch Lounge Deluxe“ spielten Boy, Vierkanttretlager, Regy Clasen und Neil Hickethier im Zelt der Fliegenden Bauten.

Hamburg. Da sitzen sie nun also, die Gäste, an weiß betuchten Tischen, essen Käsekreationen garniert mit diesen orangen Früchten, deren Namen sich keiner merken kann, und trinken Getränke zu Preisen, für die es in anderen Klubs zwei Drinks gäbe.

Seit nunmehr sieben Jahren leisten der Musiker Michy Reincke und der Musikmanager Hasko Witte mit einer eigenen Konzertreihe Aufklärungsarbeit auf dem weiten Feld regionaler Popmusik. Nun haben die beiden Überzeugungstäter zur ersten Deluxe-Variante ihrer Lausch Lounge in das Gastroeventambiente der Fliegenden Bauten geladen. Das Konzept ist dabei dasselbe geblieben. Vier Acts spielen reduziert akustisch, und über allem schwebt Reinckes unverwüstliches Credo: "Die Lausch Lounge ist ein heiliger Ort der Aufmerksamkeit und des Respekts."

Als das Licht dann nur noch die Bühne rahmt, als die ersten Akkorde von Gitarristin Sonja Glass erklingen und Valeska Steiner zu ihrem satten, feinen Gesang anhebt, da verblasst flugs all das gediegene Schischi und macht Platz für schiere Schönheit. Rein optisch entsprechen die Hamburgerinnen durchaus dem Klischee zarter Folkpopelfen. Doch die Musik dieses Duos, das sich Boy nennt, durchweht etwas Amazonenhaftes. "Drive Baby, Drive", fordern sie und schicken ihre Hörer hinaus in die Welt, die zu umarmen leichtfällt, wenn dort so berührende, brüchige Songs existieren. Zum Schluss kehren sie zurück ins intime Kämmerlein mit ihrem "Schlaflied für Erwachsene".

Man meint, gleich mehrere Wackersteine fallen zu hören von all den Großstadtseelen, die da durchatmen dürfen. Doch nicht allzu lange. Die Nervosität der Jugend folgt auf dem Fuße. Parallel zu ihren Abiturprüfungen sind die vier jungen Herren von Vierkanttretlager derzeit dabei, ihre Reife in der Poplandschaft zu beweisen.

Von Reincke als "gut aussehende, hartgesottene Jungs von der Küste" angepriesen, mutet der Sänger mit Seitenscheitel und Anzugjacke jedoch eher wie der Schüler eines britischen Eliteinternats an. Das Mikro umklammert er mit einer Intensität, als wolle er dem Gerät tiefste Abgründe anvertrauen, stampft und tanzt aber mit einem Impuls, als wolle er einen Gospelchor zur Erleuchtung führen. Grandiose, grüblerische, glühende Texte treffen bei Vierkanttretlager an diesem Abend auf eine Art Indie-Shanty-Sound von Akustikgitarre und Akkordeon. Und als das Quartett mit seiner deutschen Version von Peter Sarstedts "Where Do You Go My Lovely" schön die Sehnsucht schürt, hat sich die leichte Beklopptheit des Bandnamens längst in Poesie gewandelt.

Nach zwei derart intensiven Neuentdeckungen hätte der Abend glückselig enden können. Doch nach der Pause treten zu fortgeschrittener Stunde noch zwei alte Lausch-Lounge-Hasen auf: Soulchanteuse Regy Clasen und Bluesrocker Neil Hickethier. Deren Fans danken. Doch nach vier gedehnten Stunden fühlt sich das Attribut "deluxe" dann doch zunehmend wie "XXL" an.