Eigentlich ist die 41-Jährige ja Schauspielerin. Doch nun gibt Marie Bäumer mit “Abschied“ ihr Regiedebüt an den Hamburger Kammerspielen.

Hamburg. Die weiße Wollmütze könnte eine Tarnkappe sein. Auch auf die Bitte des Fotografen legt Marie Bäumer das Strickding nicht ab. "Passt doch zum vielen Schnee", sagt sie spitzbübisch. Und natürlich auch zum elfenbeinfarbigen Wollpullover mit gepufften Ärmeln, der sie mädchenhaft jung aussehen lässt.

Marie Bäumer, 41, ist zurückgekehrt. Nach Hamburg, an die Kammerspiele. 1996 hatte sie dort schon einmal gespielt, in Falk Richters "Alles in einer Nacht". Fast 15 Jahre ist das nun her, was ist in dieser Zeit nicht alles passiert. Zu einem Star des deutschen Films ist Marie Bäumer inzwischen aufgestiegen, in "Der alte Affe Angst" hat sie gespielt, in "Napoleon", "Der Schuh des Manitu" und jüngst "Im Angesicht des Verbrechens". Dann war genug mit der Kamera, Marie Bäumer wechselte den Kurs. Sie schrieb ein Theaterstück, und sie inszeniert es auch noch selbst: An diesem Sonntag feiert "Abschied" an den Kammerspielen Uraufführung, mit Laura Lo Zito, Peter Franke und dem Jourist-Quartett.

Marie Bäumer lächelt, diese Mütze steht ihr, irgendwie. Doch Versteck spielt sie nur mit den Haaren. Sie spricht offen über ihre neuen Erfahrungen als Autorin und Regisseurin, und wie sie das alles erzählt, da ist sie ganz die Bäumer - sehr zugänglich, sehr dramatisch, selbst bei den kleinsten Szenen des Alltags. Neulich ist ihre Katze entlaufen. Auch das ein Drama. Lebhaft gestikulierend schildert sie das unverhoffte Wiedersehen mit dem Ausreißer nach zweieinhalb bangen Wochen. Sie ist fasziniert von Menschen und Tieren. "Zwei schwarz-weiße Maine-Coon-Mischlinge haben mein Sohn Shawn und ich in Frankreich aufgegabelt", erklärt sie. Seit einigen Jahren pendelt die Schauspielerin zwischen ihren Domizilen in einem Provence-Dörfchen in der Nähe von Avignon und Övelgönne.

Aber schnell zurück zum Thema. Es soll ja jetzt nicht um die Beziehung zwischen Katzen und Menschen gehen, obwohl auch die interessant ist, nur um die Kunst, und dann geht es doch wieder darum: um die Beziehung zwischen Mann und Frau. Davon handelt der "Abschied". Bäumers eher lyrische als dramatische Szenen der Erinnerung erzählen von Liebe, Tod und Trennungsschmerz. Einem alten Mann und seiner viel jüngeren Frau - steht der Abschied bevor. Erwartungsgemäß. Schon aus biologischen Gründen. Doch die beiden haben trotz zaghafter Versuche nicht den Mut, sich der unausweichlichen Tatsache zu stellen.

Umso mehr Courage und Beharrlichkeit beweist Marie Bäumer, um ihr erstes Stück selbst auf die Bühne zu bringen. Die Lust am Regieführen hat die Schauspielerin beim Unterrichten in Workshops in Hamburg und an der Filmakademie in Ludwigsburg entdeckt. "Auch beim Drehen habe ich Fantasien und Vorstellungen entwickelt, aber oft von den eigenen Bildern Abschied nehmen müssen, weil der Regisseur etwas anderes erzählen wollte oder sie in der speziellen Kamera-Einstellung nicht funktioniert hätten." Die Idee, ein Stück zu schreiben, verfolgt Bäumer jedenfalls schon längere Zeit. "Sie existiert seit acht Jahren." Ein Auslöser war der Tod einer Bekannten, deren Mann lange unter der Trennung litt.

"Er war wie gefangen unter einer Schmerzglocke. Mich hat sehr beschäftigt und berührt, dass seine Freunde und die Umgebung so unwillig und verständnislos darauf reagiert haben." So schwer es zu akzeptieren sei, zum Leben gehörten nun einmal das Leid und der Tod. "Wir wollen das einfach nicht wahrhaben." Außerdem hatte sie schon lange den Wunsch, etwas Gemeinsames mit dem Schauspielkollegen Peter Franke zu machen. "Ich kenne ihn, seit ich 17 bin, da hat er in der Galerie Rose gesungen. Wir sind uns immer wieder über den Weg gelaufen, ich mag ihn sehr und wir wollten ursprünglich zusammen spielen, was sich nie ergeben hat." Von Anfang an hatte sie beim Schreiben an Franke gedacht, er hat die Figur des Mannes sofort besetzt.

Ein Stück zu schreiben und es auf die Bühne zu bringen, sind zweierlei, das weiß auch Bäumer. Trotzdem wollte sie "ihr Baby" niemand anderem zur Inszenierung überlassen. Mit entsprechenden Problemen. "Ich musste mir die Distanz zum Text schaffen", sagt die Debütantin, da spürt man ihre Arbeitswut. "Ich hatte ihn so minutiös vor Augen und im Ohr, dass ich in kurzer Zeit wohl ziemlich verkrampft war und sicherlich bei den ersten Proben viele Hähne zugedreht habe, anstatt sie aufzudrehen." Doch dann tauschte sie sich mit dem Team aus - und Bühnenbildner Rolf Alme.

"Wir haben das multifunktionale Bühnenbild verworfen und uns für einen Raum mit zwei Stühlen entschieden. Ich habe gelernt, immer wieder neu hinzugucken, dabei meine Vorstellungen zu verteidigen und nach Schlüsseln zu suchen, wie die Schauspieler in ihre Figuren hineinwachsen." Bäumer hat ihnen musikalische Motive zugeordnet: einen Tango für den Mann, ein russisches Lied für die junge Frau. Das Jourist-Quartett wird die Stücke live auf der Bühne spielen. "Um zu Sprache und Spiel noch eine rhythmische, sinnliche Ausdrucksebene ohne Worte zu schaffen", erklärt die Regisseurin Bäumer. Nicht die Autorin. Und die Schauspielerin sagt: "Ich habe jetzt das Gefühl, wir sind auf einem guten gemeinsamen Weg. Was ich mir für Stück und Inszenierung wünsche, ist, den Kern vom Kern vom Kern in der starken, immer wieder gestörten Beziehung zwischen zwei Menschen zu treffen."

Ist schon ein neues Stück in Arbeit? "Nein, aber es ist schon im Kopf, und ich brenne darauf, an meinen Schreibtisch zu kommen." Es sei kühn, das vor der Premiere zu sagen, bemerkt Marie Bäumer. "Aber ich habe mir vorgenommen, selbst wenn das nun die Katastrophe meines Lebens wird, werde ich das nächste Stück trotzdem schreiben." Mütze ab vor so viel Courage.

"Abschied" 19.00, Hamburger Kammerspiele. Vorstellungen bis zum 12.2. Karten unter T. 0800-41 33 440