Dem Jazzpiansten Dave Brubeck zum 90. Geburtstag

Den Umgang mit ungeraden Takten hat er auf dem Rücken der Pferde gelernt. Auf seinen langen Ritten durch die Weiten Nordkaliforniens gab es viel Hufgeklapper nachzuklopfen, auf der Ranch das Rumpeln von Landmaschinen und das Quietschen der Wasserpumpe. David Warren Brubeck sollte Cowboy werden, nachdem sein Vater, Rancher mit 180 Quadratkilometern Weidefläche, schon zwei Söhne an die Musik verloren hatte. Dave wurde ein musikalischer Cowboy, dann ein allzu musikalischer Student der Veterinärmedizin. Schließlich ein Jazzpianist, dessen verrückte Takte Musikgeschichte schrieben. Über sein Spätwerk "To Hope - A Celebration", eine moderne Jazz-Messe, fand er spät zum Katholizismus. Am Montag wird Dave Brubeck 90 Jahre alt.

Schon als Baby war David rund um die Uhr von Musik umgeben. Dabei herrschte Radioverbot auf der Ranch in Ione, Mutter Bessie, eine Pianistin aus England, sagte: "Wenn du Musik willst, dann mach sie selbst." Von ihr lernte Dave eine Menge; das Notenlesen aber schwänzte er lebenslang - was ihn beinahe sein Examen gekostet hätte.

Im Zweiten Weltkrieg war Brubeck der erste Bandleader der US-Armee mit einer gemischten Kapelle. Und in den 50er-Jahren, als ihn bei einer Tournee durch 25 Universitäten 23 vor die Alternative stellten, entweder seinen schwarzen Bassisten Gene Wright gegen einen weißen auszutauschen oder den Auftritt abzusagen, entschied er sich für die Absage.

"All meine Helden waren schwarz", sagt Dave Brubeck. Duke Ellington, Teddy Wilson, Louis Armstrong, Fats Waller. Und er zitiert Sir George Shearing, den blinden Pianisten: "Mir ist es egal, ob jemand lila ist - Hauptsache, er kann spielen." Dave Brubeck konnte spielen: mit Woody Hermann, Miles Davis, Charly Parker, Count Basie oder Dizzy Gillespie. Sie verstanden ihn besser als die vielen Kritiker, die ihn in die Ecke des "Cool Jazz" steckten - oder gleich gar nichts verstanden von seinem ausgefeilten Stil. Bei einem Konzert in der Carnegie Hall improvisierten sich alle Bandmitglieder in ein jeweils anderes Tempo. Und alle waren begeistert, dass sie das ganze Stück über ihre verschiedenen Rhythmen spielten. Nur der Kritiker schrieb: "Das Dave Brubeck Quartet kann nicht mal den gemeinsamen Takt halten."

Seine Musik hat immer viel mit dem Menschen Dave Brubeck zu tun. In den Stunden vor einer Herzoperation schrieb er im Krankenhaus das Stück "Joy in the Morning" (Freude am Morgen), in dem er anhand eines Psalmtextes musikalisch über seine Zuversicht nachdenkt - angesichts seines möglichen Todes. Es beginnt mit seinem arhythmischen Herzschlag und seiner Unruhe vor der OP, geht dann über in einen neuen freudigen Herzschlag im Leben nach dem Eingriff. Das Herz von Dave Brubeck schlägt bis heute - vorzüglich dann, wenn er auf der Bühne steht. (KNA)