Im Theater Altona erzählt Walter Sittler aus dem Leben des Moralisten Erich Kästner

Altonaer Theater. "Er ist im besten Sinne ein Bürger, wie wir ihn uns wünschen können", sagt der Schauspieler Walter Sittler über den Schriftsteller Erich Kästner (1899-1974). Sittler übt selbst zivilen Ungehorsam bei seinen Protest gegen das Bahnhofsprojekt "Stuttgart 21". Dem Chronisten des Dritten Reiches und dem politischen Engagement Kästners nach dem Krieg widmen er und Regisseur Martin Mühleis ihren zweiten Abend über den Autor aus Dresden. "Vom Kleinmaleins des Seins" hat diesen Sonntag Hamburg-Premiere im Altonaer Theater.

Vor ziemlich genau drei Jahren gastierte Walter Sittler hier mit der Erfolgsproduktion "Als ich ein kleiner Junge war" nach der einzigen Kästner-Biografie. Jetzt erzählt er mit Mühleis, dem Komponisten und Saxofonisten Libor Sima sowie fünf Musikern die Lebensgeschichte des Antimilitaristen mit der humoristisch spitzen Feder weiter. Diesmal auf der Basis von seinen Briefen, Gedichten und Kurzgeschichten sowie Texten der Wegbegleiter.

Der 57-jährige Frauenschwarm aus dem Fernsehen ("Nikola") machte in letzter Zeit viel von sich reden als Gegner von "Stuttgart 21" und ist auch in Talk-Shows aufgetreten. Er hat dafür viel Lob bekommen, aber auch Schelte wegstecken müssen. Der "Focus" spöttelte über den "Bürger Sittler" in der Rolle seines Lebens "als allgegenwärtiger Moralist". Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär Thomas Strobl äußerte sich weniger fein über Sittlers "mangelndes Demokratieverständnis" und stellte ihn als "Propagandisten" sogar in die Nazi-Ecke, musste sich jedoch später für die Entgleisung entschuldigen. Sittler, der mit seiner Frau und drei erwachsenen Kindern in Stuttgart lebt, ließ sich jedoch weder einschüchtern ("Manchmal muss man gegen Gesetze verstoßen, um gehört zu werden") noch von seiner Kritik und davon abhalten, die Bedenken auch dem Verkehrsausschuss im Bundestag vorzutragen.

Auch ohne solche Auftritte gehört Walter Sittler zu jenen Männern, die schwer zu übersehen sind. Fast zwei Meter groß, zählt der charmante und virile Schauspieler seit seinen Erfolgsserien "Girl Friends" und "Nikola" zu den beim breiten Publikum beliebten Bildschirm-Stars. Ursprünglich wollte der in Chicago geborene Sohn eines amerikanischen Literaturprofessors und einer deutschen Lehrerin Arzt werden. Den Wunsch hat er als arroganter Fernsehmediziner Robert Schmidt nachgeholt, der seiner Mitarbeiterin Mariele Millowitsch den Alltag im Krankenhaus schwer machte. Die Serie wurde 1997 mit einem Sonderpreis "Goldene Rose" in Montreux, 1998 mit dem Adolf-Grimme-Preis und in der Folge zweimal mit dem deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet.

Seine Karriere begann Sittler jedoch am Theater. Nach der Ausbildung an der Otto-Falckenberg-Schule in München debütierte er 1981 am Mannheimer Nationaltheater und wechselte 1988 an das Stuttgarter Staatstheater, wo er bis 1995 engagiert war. Danach arbeitete er frei, hauptsächlich für Film und Fernsehen, ging dann 2006 mit dem ersten Kästner-Abend "Als ich ein kleiner Junge war" auf Deutschland-Tournee. Mit über 170 Vorstellungen und mehr als 80 000 Besuchern zählt die Theaterproduktion zu den erfolgreichsten in den letzen Jahren.

Im neuen Kästner-Programm stellt Sittler einen Chronisten des vergangenen Jahrhunderts, einen brillanten Wortkünstler und scharfzüngigen Mahner von noch immer brennender Aktualität vor. Der Schauspieler und die sechs Musiker auf der Bühne erzählen aber auch vom Rausch in den goldenen Berliner Zwanzigerjahren - und vom schweren Kater danach. Und von der Liebe, die Kästner zeitlebens mit seiner Mutter verbunden hat. Seine Erinnerungen an die mit den Eltern verbrachten Weihnachtsabende zählen zu einem der bewegenden Höhepunkte im musikalisch-literarischen Porträt über einen "konsequenten deutschen Poeten" (Hermann Kesten).

Vom Kleinmaleins des Seins 21.-24.11., 20.00, Altonaer Theater (S Altona), Museumstraße 17, Karten von 9,- bis 29,-, T. 39 10 99 85; www.altonaer-theater.de