Spitzensänger für die Abonnenten in Hamburgs Staatsoper

Hamburg. Die Staatsoper beginnt ihre Saison gewöhnlich ohne Pomp und große Umstände. So profitierten auch in diesem Jahr nicht illustre Premierengäste, sondern die Inhaber des Sonntags-Abos von einer Spitzenbesetzung für "Lucia di Lammermoor". Das gruselige Schotten-Drama strahlte im Glanz von Piotr Beczalas (Edgardo) grandiosem, geschmeidigem, glasklarem und dabei immer durchschlagskräftigem Tenor. Seine verratene Braut Lucia sang Elena Mosuc - sie kostete die hoch emotionalen Koloraturkaskaden bis zur letzten Note voll aus, kontrolliert, ohne jede Angst vor dem Risiko vielfacher Spitzentöne, und anrührend in der berühmten Wahnsinnszene (begleitet von den irritierend überirdischen Klängen der Glasharmonika).

Das Hauptrollenquartett ergänzten Artur Rucinski (Enrico) als böser Bariton-Bube mit großer, warm strömender Stimme, die kräftig zupacken und auch fein modellieren kann. Und Alexander Tsymbalyuk (Raimondo), der so profund wie stimmstark den Erzieher von Lucia gab. Das Belcanto-Glück war perfekt, weil alle vier überaus klar und verständlich artikulierten und sich - etwa im großen Ensemble der Hochzeitsszene - auch gegen den vollen Orchesterklang mühelos durchsetzen konnten.

Diesen Klang produzierten mit federnder Spielfreude und bis in die Kapillargefäße von Donizettis Musik hinein, dabei die Sänger aufmerksam unterstützend die bestens erholten Philharmoniker unter ihrer sichtlich glücklichen Chefin Simone Young. Artur Rucinski gab sein Hamburg-Debüt - ein Weltklasse-Bariton (in Hamburg bald auch in "La Traviata" und im "Barbier von Sevilla" zu hören und zu sehen), Tsymbalyuk ist Ensemble-Mitglied. Beczala und Mosuc werden an den bedeutendsten Opernhäusern der Welt gefeiert. Dass ihre Namen nicht allen Opern-Fans ein Begriff sind, mag daran liegen, dass sie auf dem Hype-Karussell der Musikindustrie noch keine festen Plätze haben neben den omnipräsenten Netrebko-Villazón-Garanca-Kaufmann-Petibon.

Es war ein lebendiges, ein bewegendes Drama, das am Sonntag auf großartige Weise glückte. Und man fragt sich: Warum geht so ein Ereignis im Spielplan - sieht man vom Etikett "Belcanto-Wochen" ab - beinah unter? Und hallo, NDR: Eine Live-Übertragung im Hörfunk hätte Hamburgs Staatsoper über diesen Abend hinaus glänzen lassen und neue Opern-Fans locken können.

Bei Sängern dieser Klasse sieht man einfach über die immer noch albernen Schunkel-Palmen und andere Exaltiertheiten der Inszenierung von Sandra Leupold hinweg. Und verrät gern, dass exakt die Besetzung dieser Sternstunde noch zweimal im Haus an der Dammtorstraße zu hören ist. Jeder, der da einen der freien Plätze ergattert, darf sich Glückspilz nennen.

Lucia di Lammermoor 11.9., 18.00, und 17.9., 19.00, Staatsoper (U Gänsemarkt), Dammtorstraße, 4 bis 97 Euro unter T. 35 68 68; www.hamburgische-staatsoper.de