Der israelische Autor Assaf Gavron las gestern in Hamburg. Ein Computerspiel hat er auch geschrieben. Es heißt “Peacemaker“

Hamburg. Es ist klar, dass ein israelischer Autor im Moment dauernd nach dem "Mavi-Marmara-Zwischenfall" gefragt wird. Assaf Gavron ist darüber nicht böse. Denn die Frage, ob Israel jetzt paranoid oder nur überempfindlich geworden ist, ob es sein Ansehen verspielt oder wichtige Optionen für die Zukunft, beschäftigt ihn auch in seinen Romanen. Gestern las der israelische Bestsellerautor im Café Leonard aus "Ein schönes Attentat" (btb) und "Hydromania" (Luchterhand).

Also, zur Operation gegen den Schiffskonvoi: Gavron lässt kein gutes Haar daran. "Sie war dumm, ein militärischer und PR-mäßiger Reinfall, es war nicht nötig, dass Menschen sterben." Auch die einverständige Reaktion der israelischen Öffentlichkeit habe ihn erschreckt. Andererseits, sagt er, würden außerhalb von Israel wichtige Faktoren oft vergessen, etwa die Haltung der Hamas zum Konvoi und die Beteiligung Ägyptens an der Blockade. "Das Gesamtbild ist schwieriger und komplizierter, als viele Europäer denken."

Aber vor ein paar Jahren hat Gavron das Skript für ein Computerspiel namens "Peacemaker" geschrieben, in dem genau solche Konfliktfälle simuliert werden. Der User kann als israelischer Ministerpräsident oder als Palästinenserpräsident agieren. Er hat die Wahl: "Wenn Sie als Ministerpräsident das Schiff durchlassen, bekommen Sie von der palästinensischen Seite Punkte, die Beziehungen werden etwas wärmer. Bei den eigenen Leuten verlieren Sie wahrscheinlich Punkte, weil die finden, dass Sie zu weich oder zu defätistisch gehandelt haben. Aber im Spiel würden Sie damit weiterkommen. Denn das Ziel ist ja, Frieden zu schließen."

Gavron hat Übung darin, seine Landsleute zu irritieren und zu anderen Blickwinkeln zu animieren. In "Ein schönes Attentat" überlebt sein Held Eitan Enoch drei Terrorattentate und wird damit in Israel zur Berühmtheit. Held Nummer zwei ist Fahmi, der palästinensische Attentäter: ein junger Mann, der zwischen Familiensinn, heroischem Freiheitskämpferpathos und Frust eine Orientierung sucht. Und er ist ganz und gar kein eindimensionaler Islamist.

Es geht um die fast schon surreale, beklemmende Phase vor einigen Jahren, als Menschen sich mitten in Tel Aviv in die Luft sprengten, als jede Busfahrt zur Zitterpartie wurde. "Ich fand, dass ich darüber schreiben musste, über beide Seiten", sagt Gavron.

Viele Leser in Israel fanden allerdings Eitan, den ziemlich oberflächlichen und ichbezogenen Helden, viel unsympathischer als Fahmi. Der zu nett geratene Feind trug Gavron eine Menge Kritik ein. "Für viele Israelis ist es ja auch viel einfacher, die Palästinenser auszublenden", gibt der Autor zurück. "Wir können sie durch die Mauer nicht sehen und nicht hören. Aber sie sind da. Wir leben nahe zusammen, wir sind quasi ineinander verschränkt."

In "Hydromania" hat er sich ein Fiction-Gedankenspiel ausgedacht - im Post-conflict -Israel des Jahres 2067. Nach dem Ende des Nahost-Konflikts ist Israel kleiner und schwächer geworden wie auch seine große Schutzmacht USA, und jetzt geht es um die globale Macht über das Wasser. Eine junge Israelin namens Maya sucht ihren verschwundenen Mann, einen Wasserbauingenieur, und stößt auf ein Komplott.

Gavron schreibt rasant, bildhaft und mit diesem typisch israelischen Trotzdem-Humor, ohne den die strapaziösen Zeitläufte in seinem Land nicht zu ertragen wären. In beiden Romanen fließen Liebesgeschichte, Politik, Krimi und Thriller ineinander. "Ich mixe gern die Genres", sagt Gavron.

Zurzeit lebt er mit Frau und kleiner Tochter als Stipendiat des DAAD in Berlin. "Ich habe Ruhe zum Schreiben und kann meine kleine Tochter mit dem Fahrrad zum Kindergarten bringen", sagt er. "Das genieße ich."