Das Ensemble Resonanz mit “Retro“ in der Laeiszhalle

Hamburg. "Retro" haben das Ensemble Resonanz und sein Artist in Residence Jean-Guihen Queyras ihr jüngstes Konzert in der Laeiszhalle überschrieben. Natürlich mit Hintergedanken, das kennt man ja von diesem Musikerkollektiv. Was gemeinhin aus dem Design als Stil oder Haltung postmoderner Nostalgie bekannt ist, fungierte hier als Motto für ein Programm, das einen Bogen vom 18. zum 20. Jahrhundert schlug, von Bach und Haydn zu Strawinsky und Schnittke.

Getreu dem Motto präparierten die Musiker heraus, wie sich die Nachgeborenen auf die Formen und Motive, aber auch auf das Sprachhaltige der Vorgänger bezogen. Das gefühlige, stürmende und drängende 19. Jahrhundert hätte in diesem kristallin-geordneten Spektrum keinen Platz gehabt.

Was nicht heißen soll, dass es kopflastig zugegangen wäre. Im Gegenteil: Schon ab der ersten Note von Bachs Drittem Brandenburgischen Konzert funkelte und groovte es nur so von der Bühne, und das bei atemberaubenden Tempi. Nur die gebrochenen Akkorde forderten in den Geigen hin und wieder kleinere Opfer an Intonation und rhythmischer Stabilität.

In Alfred Schnittkes "Triosonate für Streichorchester" schimmerten allenthalben barocke Tänze oder Choralfetzen durch. Dann wieder verließ Schnittke die Tonalität oder ließ, Filmmusiker, der er auch war, die Musik klingen wie unter Wasser oder bersten und splittern. Und wie sich die Linie am Ende in den höchsten Höhen verlor, das hatte fast etwas Religiöses.

Es braucht schon Interpreten vom Range der Resonanzler, um diese Vielgestaltigkeit nicht in bloße Kulinarik ausarten zu lassen. Unter Queyras' Leitung behielten die Musiker allezeit den Überblick und nutzten ihr immenses Spektrum an Klangfarben, um den Sinngehalt der Musik zu verdeutlichen.

Für Strawinskys neoklassizistisches "Dumbarton Oaks" stellte sich Queyras sogar ans Dirigierpult und lotste den um einige Bläser angewachsenen Laden durch das amüsante Kaleidoskop von Stil- und Motivanleihen. Und dann spielten sie auch noch ein furioses Haydn-C-Dur-Cellokonzert. Die spieltechnischen Gemeinheiten schüttelte Queyras förmlich aus dem Anzugärmel, das Ensemble begleitete stilsicher und wie auf Zehenspitzen. Großer, verdienter Jubel.