Eine Begegnung mit dem Schauspieler Bill Nighy, der in dem Kinofilm “Best Exotic Marigold Hotel“ von Regisseur John Madden spielt.

Exzentriker kann er am besten. Schräge Typen, die ihre Unkonventionalität selbstbewusst zur Schau stellen und auch noch dazu stehen, wenn die Dinge nicht gut laufen. Das macht Bill Nighy mit unerschütterlicher Grandezza und viel Selbstironie. So auch in der Tragikomödie "Best Exotic Marigold Hotel", in der er mit einer Gruppe britischer Senioren nach Indien reist. Darunter ist auch seine Ehefrau, die ihn schon lange nicht mehr leiden kann.

Das indische Hotel sieht in der schnöden Realität längst nicht so schön aus wie im Prospekt und spiegelt mit seiner bröseligen Fassade den Zustand ihrer Ehe wider.

Im Gegensatz dazu ist das Berliner Hotel, in dem Bill Nighy wartet, richtig nobel. Der hagere Schauspieler sitzt im Anzug und kerzengerade, aber bei geschlossenen Vorhängen im Zimmer. Soll das am frühen Nachmittag ein Dialog im Dunkeln werden? "In Hotelzimmern möchte ich immer, dass die Vorhänge zugezogen sind. Wahrscheinlich eine alte Rock-'n'-Roll-Angewohnheit."

+++ "M" verzweifelt an Warteschleifen +++

Aha. Alternde Musiker hat er schon häufiger gespielt. Zum Beispiel den Ex-Schlagerstar Billy in "Tatsächlich ... Liebe", der mit der Weihnachtsversion seines Hits "Love Is All Around" einen lächerlichen Comeback-Versuch startet. Oder den ehemaligen Glamrocker Ray in "Still Crazy", der mit seiner Band erneut auf Tour geht, obwohl bei den Musikern der Lack seit Jahren ab ist.

Nighy liebte Hotels schon lange vor diesem Film. "Ich könnte mir gut vorstellen, ständig darin zu leben", sagt der 62-Jährige. Dieses hier in der Nähe des Berliner Gendarmenmarkts mag er besonders. "Ich habe hier schon einmal zwei oder drei Monate gewohnt, als ich mit Brian Singer und Tom Cruise 'Operation Walküre - Das Stauffenberg-Attentat' gedreht habe. Hotels müssen für mich gar nicht teuer sein. Die Hotels in Indien waren aber wirklich unglaublich. Das sind oft ehemalige Paläste von Maharadschas. Eins hatte einen 30 Hektar großen Garten mit Fasanen darin. Es war wie im Film."

Dann passte es ja. Nighy ist zum ersten Mal nach Indien gereist. Trotz der Helligkeit ausgesprochen gern, wie er versichert. Seine Rolle habe ihn motiviert. "Ab und zu mag man die Typen tatsächlich, die man spielen soll, und den hier mag ich ganz besonders. Ich finde es berührend, wie er versucht, sich dezent zu benehmen und an seinen Manieren festzuhalten. Aufgrund seiner Lebenserfahrungen würde man doch erwarten, dass Indien ihm entweder Angst machen oder ihn abstoßen würde. Aber alles, was er dort erlebt, spricht ihn irgendwie an. Das gefällt mir, und ich finde ihn auch bewundernswert."

Überrascht reagierte er, als er mit seiner Kollegin Judi Dench nachts drehen sollte. Sie schlenderten zusammen über einen Marktplatz, aber bei jedem Take drängte sich ein Inder zwischen sie und die Kamera und begann zu tanzen. Nighy ahmt ihn nach, steht auf und fängt an, sich wie eine Kobra zu bewegen. Es ist eine seltsame Mischung aus hypnotischer Eleganz und Bewegungsidiotie. "Ich dachte zuerst, das sei ein Trick von Regisseur John Madden. Aber der kannte ihn auch nicht. Der Inder konnte wirklich gut tanzen und war auch fein angezogen. Er wollte wohl einfach nur mit im Film sein."

Über Judi Dench konnte man lesen, dass ihre Sehkraft stark nachlasse. Beeinträchtigte das die Dreharbeiten? Nighy winkt ab. "Ich hatte in der Hitze weit größere Probleme. Sie war in guter Form. Wenn man mit ihr zusammenarbeitet, ist es sehr schwer, die eigene Mimik im Zaum zu halten. Sie ist so fies und bringt einen ständig zum Lachen. Und sie hat eine ausgesprochen schmutzige Vorstellungskraft. So sieht sie einen dann auch an. Für eine englische Frau ist das bewundernswert."

Nach Drehschluss ließen es sich die Schauspieler gut gehen. "Wir haben zwei Monate lang jeden Abend zusammen gegessen und uns ziemlich gut verstanden. Ich kenne diese Leute schon fast mein ganzes Leben. Mit Penelope Wilton war ich im Film schon mindestens zweimal verheiratet. Judi Dench hat vier Filme mit mir gedreht."

Ernst wird Nighy, wenn es um die heftigen sozialen Unterschiede in Indien geht. Und wütend, wenn er sich daran erinnert, dass man ihm dort erzählte, diese Armut sei gottgewollt. Mit der Rolle der ehemaligen Kolonialmacht Großbritannien auf dem Subkontinent geht er differenziert um. "Wir haben dort schreckliche Dinge gemacht, vielleicht aber auch ein paar gute." Der Brite kehrt aber auch vor der eigenen Haustür. "Bei uns leben 1,5 Millionen Kinder unter der Armutsgrenze." Er engagiert sich deshalb für die Hilfsorganisation Oxfam. Und während Premierminister David Cameron damit noch Probleme hat, bekennt sich Nighy eindeutig zu Europa. "Viele Briten wollen nicht dabei sein. Mein Instinkt sagt mir aber, es wäre besser, wenn wir uneingeschränkt mitmachen würden."

"Best Exotic Marigold Hotel" kommt morgen ins Kino. Das Abaton zeigt den Film heute um 17 Uhr.