In deutschen Redaktionen gibt es kaum Mitarbeiter mit ausländischen Wurzeln, lange hatten sie keine Lobby. Das beginnt sich langsam zu ändern.

Hamburg. Es ist längst ein Stück deutsche Normalität: Migranten begehen hierzulande ihre Feiertage wie etwa das muslimische Opferfest. Sie spielen in ihren Vereinen Fußball. Und sie jubeln ihren Popstars zu. Das alles ist bekannt, nur in der Zeitung liest man kaum etwas darüber. Der ganz normale Alltag von Migranten in Deutschland findet in den deutschen Medien großenteils nicht statt.

In Presse, Funk und Fernsehen arbeitet kaum jemand, der sich mit diesem Thema auskennt. In deutschen Redaktionen gibt eine riesengroße Migrantenlücke: Laut Schätzungen, offizielle Zahlen existieren nicht, haben nur zwei bis fünf Prozent aller deutschen Journalisten einen Migrationshintergrund. Dabei kommt mittlerweile von 20 Prozent der hierzulande lebenden Menschen mindestens ein Elternteil nicht aus Deutschland. Gewiss, es gibt Vorzeigejournalisten wie die Chefredakteure von "Zeit" und "Spiegel", Giovanni di Lorenzo und Georg Mascolo, deren Väter Italiener sind. Aber sie sind Ausnahmen.

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Zu den Gründen, weshalb es kaum Migranten in deutschen Redaktionen gibt, zählen nach Ansicht der Hamburger Kommunikationswissenschaftlerin Friederike Wolff die Auswahlkriterien, nach denen Medien ihren Nachwuchs rekrutieren. "Viele Verantwortliche stellen bevorzugt Bewerber aus ihren Kreisen ein", sagt sie. Migranten wird offenbar nicht viel zugetraut. Das erfuhr auch die indischstämmige Journalistin Sheila Mysorekar, die Vorsitzende des Vereins Neue deutsche Medienmacher ist, in dem sich Journalisten mit Migrationshintergrund organisiert haben. Als junge Journalistin sei sie oft "für meine gute Orthografie gelobt" worden, was ihr "seit der Grundschule nicht mehr passiert" sei. Dann ging ihr auf, dass niemand erwartet hatte, "dass ich korrektes Deutsch schreiben kann". Denn andere "Leute im Sender, die so aussahen wie ich, die haben dort geputzt".

Längst sind in der dritten Migrantengeneration Akademiker keine Seltenheit. Doch sie ziehe es eher in die Juristerei als in den Journalismus, sagt Gualtiero Zambonini. Er ist hauptberuflicher Integrationsbeauftragter des WDR, der einzige, den es bei deutschen Sendern gibt. Für junge Migranten habe es lange keine journalistischen Vorbilder gegeben, sagt er. Sie wüssten nicht, dass der Journalismus Aufstiegsmöglichkeiten eröffne. Deshalb vermerkt der WDR als Vorreiter in Sachen Integration in der ARD nun ausdrücklich in Stellenausschreibungen, dass Bewerber mit Migrationshintergrund "erwünscht" seien. Den Migrantenanteil unter seinen Volontären konnte er auf knapp 20 Prozent erhöhen. Beim NDR hatten 2010 immerhin acht von 54 Volontären einen Migrationshintergrund.

Wie Frauen, die nun eine Quote von 30 Prozent der Führungspositionen in Redaktionen fordern, hatten Migranten in den Medien lange Zeit keine Lobby. Doch es tut sich was: Das Bildungswerk Kreuzberg bildet seit drei Jahren Migranten mit akademischem Abschluss zu Journalisten aus. In Nordrhein-Westfalen ist ein ähnliches Angebot in Planung. Und mittlerweile gibt es auch Journalisten, die sich junge Migranten zum Vorbild nehmen können, wie etwa die irakischstämmige ZDF-Moderatorin Dunja Hayali, ihr Pendant Linda Zervakis von der "Tagesschau", deren Eltern Griechen sind, die türkischstämmige RTL-Frau Nazan Eckes oder Yared Dibaba vom NDR, der als Kind aus Äthiopien nach Norddeutschland kam.

Übrigens hat auch das Abendblatt eine Journalistin hervorgebracht, die spielend als Vorbild durchgeht: 2008 gewann die türkischstämmige Özlem Topçu mit einer Langzeitreportage über vier Hauptschulabsolventen den Theodor-Wolff-Preis, die renommierteste Auszeichnung für Zeitungsjournalisten. 2009 wechselte sie zur "Zeit".