Meine Tante hatte immer Maya werden wollen und war aus diesem Grund Anfang der 80er-Jahre nach Mittelamerika gereist, um dort mit den Mayas zu leben. In unserer Familie verstand kaum jemand Tante Muppe. Aber sie sagte, wir wüssten nicht, wie sich das anfühle, Maya.

Sie hatte recht. Wir hatten keine Ahnung. Aber sah man Muppe, glaubte man, dass auch sie nicht so recht wusste, was das bedeutete. Meine Tante begann, sich Kleidung zu nähen, Mayakleidung, wie sie sagte, von der ich mir kaum vorstellen konnte, dass ein so weit entwickeltes Volk wie die Maya so etwas trug. Sie versuchte sich in Kunsthandwerk und war oft im Solarium, um sich schon einmal an die Maya-Sonne zu gewöhnen.

Unter großen Tränen flog sie dann. Für immer wollte sie bleiben, doch nach einem Monat war sie zurück. Vermutlich, weil die ganze Mayasache meine Tante überforderte. Mathematik, der Kalender, die ganzen Pyramiden und die Maya-Schrift.

"Bin bei den Maya, alle ganz nett hier", schrieb sie auf der ersten Karte. "Heute gerechnet, die Welt geht unter." Der Ton der Karten wurde trauriger, es war zu hören, dass sie sich da in etwas verrannt hatte. Maya, das war nichts für Muppe, und wenn sie, zurück in Hamburg, weiterhin ihre Mayamanie aufrechterhielt, dann sicher nur, weil sie sich vor uns einfach nicht die Blöße geben wollte, es zuzugeben. Sie wolle das europäische Maya-Chapter eröffnen, erklärte sie ernst, und versuchte uns fortan zu überzeugen, auch Maya zu werden. Sie warb auf der Straße, in Zeitungen, rief Fremde an und fragte, ob man sich nicht vorstellen könne, ihrem Mayastamm beizutreten. Und tatsächlich, nach und nach wuchs Muppes Mayastamm. Er ist nicht so groß wie sein Vorbild, alle Mayas Hamburgs haben in einer Zweizimmerwohnung Platz. Dort lebt man und trifft sich jede Woche im Planetarium, um Gleichgesinnte anzuwerben.

Das nächste Mal trifft sich das Universum der Maya wieder am 9. Februar.