Mehr als 100 Arbeiten der Zwillingsbrüder Gert & Uwe Tobias sind im Kunstverein zu sehen. Sie sind thematischer Auftakt zum Jahresprogramm

Kunstverein. Was da alles kreucht und fleucht, abhebt und zu Boden fällt! Schmetterlinge und Stühle, Käfer, Schnecken und erschöpfte Vogelmenschen. Dazwischen öffnen poppig bunte Blüten ihre erotischen Blätter, baumeln folkloristisch verzierte Kaffeelöffel wie Wäsche von der Leine. Willkommen im Bilderkosmos der Zwillingsbrüder Gert & Uwe Tobias, die 1973 in Brasov (Rumänien) geboren wurden und heute in Köln leben.

Ihre von Surrealismus, folkloristischem Motivgut, Stillleben, aber auch Typografie inspirierte Kunst geht unbekümmert den Weg optischer Bildsensation. Mögen sich andere um ihre Bedeutung kümmern. Hier zählt die Einladung ans Auge, das Spiel mit grafischer Raffinesse und illustrativen Leckerbissen. Kunst zum Sattsehen, weniger zum intellektuellen Sattwerden. Der Kunstverein Hamburg zeigt jetzt die bislang größte Ausstellung der Brüder in Form einer alle Räume umfassenden Installation mit mehr als 100 Bildern und Keramiken.

Mit der Ausstellung läutet der Kunstverein auch thematisch sein diesjähriges Programm ein. Verstärkt präsentiert werden die zunehmende Lust von Künstlern, mit tradierten Materialien wie etwa Wolle, mit in der Volkskunst verankerten Motiven oder kunsthistorischen Stilen zu arbeiten. Im Laufe der Ausstellung werden so Raum um Raum auch andere Künstler einziehen, während die Tobias-Brüder sich allmählich auf Foyer und Treppenhaus zurückziehen. Ein Jahresprogramm mit Rück- und Einzugsstrategie und sanftem Übergang.

Bis Mai jedoch gehört Gert & Uwe Tobias ganz allein der Kunstverein. Lange galten die bis ins reifere Jungenalter in Rumänien aufgewachsenen Künstler als Vertreter osteuropäischer, wenn nicht gar transsylvanischer Kulturbotschafter. Ein Vorurteil, dem sie in Titel und Motiven mitunter auch selbst Nahrung gaben. Auch in den aktuellen Arbeiten - mehr als die Hälfte der gezeigten Werke sind neu - zeigen sich draculöse Zitate, Fledermäuse und blutige Reminiszenzen. Immer wieder aber betonen sie, dass ihr Motivrepertoire keineswegs heimatgebunden sei. Mit seinen stilisierten Blüten, Federvieh und Insekten, seinem Hang zu Bauernmalerei wie plakativen Surreal-Pop greifen sie allgemein auf populäres Bildgut, Stillleben und klassische Techniken zurück. Auf die Tradition der Stickerei und des Strickmusters wie in der Reihe "Die Mappe". In ihr gleichen bildfüllende geometrische Raster Stickvorlagen, die in "guter Hoffnung" auf ihre Bildempfängnis warten. Und irgendwo lauern die Motive, die sich da einnisten wollen: Krähenfüße am Bildrand oder verlaufende Farbstreifen wie auf Leinwänden. In kleineren Arbeiten spielen die Brüder mit der surrealistischen Collage, oft ein wenig zu Max-Ernst-lastig, mit Keramik und dem Objet trouvé. Ein Kabinettraum widmet sich Schreibmaschinen-Arbeiten, Grafiken zwischen konkreter Poesie und Anklängen an die frühe russische Avantgarde, mechanisch zusammengehämmert mit den eisernen Drucktypen, die einst den Schriftverkehr dieser Welt diktierten.

"Produktiver Streit" - so lautet die knappe und auf den Punkt gebrachte Antwort auf die viel gestellte Frage, wie zwei Künstler ein Werk zusammen produzieren. Was sie gemeinsam bravourös schaffen, ist der Holzschnitt, auf dem sich die meisten ihrer zum Teil meterlangen Bilder aufbauen. Mit mehreren Druckstöcken, zuvor am Computer minutiös ausgerechnet, erzeugen sie auf Leinwand oder Papier jenen Kosmos, der sich wie ein farbiger Widerhall kollektiv-populärer Bildüberlieferungen auf dunklem Grund liest.

Gert & Uwe Tobias Ausstellung bis 18.11., Kunstverein (U Steinstraße), Klosterwall 23, Di-So und an Feiertagen 12.00-18.00, T. 32 21 58; www.kunstverein.de