Niemand dreht feinsinnigere Filme über Männer in der Krise als Alexander Payne. Niemand spielt sie eindrucksvoller als George Clooney.

Wer so gut aussieht, hat in der Regel ein Problem. Dauernd steht er unter Beweiszwang, dass sein Inneres genauso interessant ist wie sein Äußeres. Also muss er ständig anspielen gegen die eigene Schönheit, sie vergessen machen, bis da nur noch ein ratloser Typ im Hawaii-Hemd ist, der eine Rasur vertragen könnte oder eine Umarmung. Die Stilsicherheit, die Gelassenheit, der kilometerweit sprühende Charme, all das, wofür George Clooney berühmt ist, hat er in "The Descendants" auf Eis gelegt. Matt King ist der Ersatzelternteil, die Zweitbesetzung in der Familie. Mittelalt, mittelattraktiv, mittelzufrieden. Dann fällt seine Frau nach einem Sportbootunfall ins Koma, und das Leben, wie er es kannte, hört auf.

Wohl kaum einer hat die Träume und Nöte liebenswerter Versager in feinsinnigere Filme gepackt als der Regisseur Alexander Payne. Seit dem Misanthropenporträt "About Schmidt" und der Weintrinker-Erzählung "Sideways" gilt er als Experte für Männer in der Krise. Für Kindsköpfe, denen das Erwachsenwerden nicht gelingt. Matt King ist kein klassischer Verlierertyp (immerhin gehört ihm eine halbe Insel), aber ein Mann, der dabei ist, alles zu verlieren, was sich nicht in Dollarnoten ausdrücken lässt. Seine Töchter zum Beispiel. Und die Ehefrau, mit der er jahrelang gelebt, die aber einen anderen geliebt hat.

Clooney hat Meisterdiebe und Auftragskiller gespielt, Snobs und Tölpel, einen Arzt in der Notaufnahme, dem alle Frauenherzen zufliegen. Was reizt so jemanden an einem Familiendrama, bei dem auf dem Papier nicht abzusehen war, dass es als Oscar-Favorit ins Rennen gehen würde, und für das er bei der Gage Abstriche machen musste? Doch schon bei "Sideways", heißt es, hatte Clooney alles darangesetzt, den ungelenken Frauenhelden zu spielen.

Je älter er wird, je öfter er sich neu erfunden hat und erfinden hat lassen, desto mehr reizt ihn offensichtlich das Naheliegende: verstörte Männer am Anfang ihrer zweiten Lebenshälfte, Einzelgänger in allen Schattierungen, die unvermutet in Lebenskrisen geraten. Zuletzt verkörperte er diese Spezies kongenial in der Fliegersaga "Up in the Air" - nie war Clooney mehr bei sich selbst als in der Rolle des Unternehmensberaters Ryan Bingham, der durch das Leben hindurchwandelt, als gäbe es keine Hindernisse außer den Sicherheitskontrollen am Flughafen-Check-in. Nach außen verschlossen, innerlich am Rande des Nervenzusammenbruchs - so tickt auch Matt King, dem am Krankenbett seiner Frau dieser Satz rausrutscht: "Du liegst hier am Beatmungsgerät und versaust mir mein Leben." Wenn nicht alles täuscht, wird sich Clooney für diese Rolle in wenigen Wochen einen Oscar ins Regal stellen können.

Es ist kein Zufall, dass die besten und erfolgreichsten amerikanischen Fernsehserien von krisengebeutelten Männern handeln, von den "Sopranos" über "Breaking Bad" bis zu "Two and a Half Men". Der Mann als solcher ist leicht schizophren, er ist in sich gespalten - das ist die These, aus der sich Folge um Folge neue Handlungen entspinnen. Vom Biopic des legendären FBI-Chefs "J. Edgar" über den Stuntman mit Killerinstinkt in "Drive" bis zum Promi-Chauffeur in Berlin-Mitte, "Zettl" - auch im Kino wimmelt es in diesen Tagen von innerlich zerfressenen Männerfiguren. Und wohl niemand hat die Einsamkeit eines trägen Schauspielers in eindrucksvollere Bilder gepackt als Regisseurin Sophia Coppola, die für "Somewhere" vor zwei Jahren die Goldene Palme in Cannes gewann.

Von einem glücklosen Mittvierziger, der vom Baseballcoach zum Callboy umschult, erzählte Payne zuletzt in der US-TV-Serie "Hung", die er vor "The Descendants" inszenierte. Er ist ein Regisseur, der seine Helden nimmt, wie sie sind. Er folgt ihrem Treiben mit einer Sympathie, die etwas Entwaffnendes hat. Deshalb berühren seine Protagonisten auch mehr, als man auf den ersten Blick vermuten würde. Ist der smarte Berater Bingham eine wandelnde Krise auf zwei Beinen, erkennt Matt King erst durch den Unfall seiner Frau, in welchem Schlamassel er tatsächlich steckt. King, der Goldmedaillengewinner unter den Verdrängerkönigen. Es ist kein Zufall, dass dieser Film ausgerechnet hier spielt, auf Hawaii, wo die Sorge von heute die Brandung von morgen ist. Hier pustet der Wind die Wolken mit einer Geschwindigkeit über den Himmel, dass sie Purzelbäume schlagen; nach jedem Regenschauer ist der nächste Sonnenschein nur ein Fingerschnippen entfernt. Dem entsprechen die Stimmung, der Rhythmus des Films: fein ausbalanciert zwischen bitterem Humor und leisem Pathos. Auf dem dramatischen Tiefpunkt rollt schon der nächste Lacher an.

Mit traumwandlerischer Sicherheit zeigt Alexander Payne diese Höllentage im Paradies. Wo andere Regisseure auf die Tube drücken, hält er sich angenehm zurück. Wir haben viele Dramen gesehen, herzzerreißende darunter, in denen die Trauer alles plattgemacht hat. Anders hier: Wenn King etwa von der Affäre seiner sterbenden Frau erfährt, bricht er weder weinend zusammen, noch verzeiht er reuevoll. Er schlüpft in seine Badeschlappen, rennt los, immer weiter, begleitet vom schnalzenden Geräusch auf dem Asphalt, das so gar nicht zum Aufruhr passen will, der sich in ihm abspielt, platsch, platsch, platsch.

Widersprüchlichkeiten wie diese abzubilden, darin besteht die Kunst von Alexander Payne. Er beweist einmal mehr, dass allen Tragödien etwas Komisches anhaftet (so wie alle guten Komödien im Grunde Tragödien sind). Er erzählt von einem Loser, ohne in Verliererromantik zu versinken. Und er zeigt George Clooney, der für gewöhnlich so viel Charme, Eleganz und Flair verbreitet wie seit Cary Grant kein amerikanischer Schauspieler mehr, als Held, der im sonnenverwöhnten Surferparadies strauchelt mit einem dicken Millionendeal in der Tasche. Selten war ein Mann in der Krise glaubwürdiger.