Der Hamburger Carsten “Erobique“ Meyer komponiert Musik für Stefan Puchers “Quijote“ am Thalia-Theater. Premiere ist nächste Woche.

Hamburg. Für die meisten Menschen ist der tägliche Weg zur Arbeit nichts Besonderes, für einige ist er Quälerei. Carsten "Erobique" Meyer freut sich darauf. "Dann ziehe ich meinen Scheitel gerade, ziehe ein Jackett an, klemme meine Laptop-Tasche unter den Arm und fahre los." Meyer ist Künstler, genauer: Musiker. In der Regel sitzt er allein in seiner Wohnung in Eimsbüttel am Klavier oder am Rechner, spielt und komponiert vor sich hin. Seit ein paar Wochen muss er jeden Morgen los: ins Thalia-Theater. Nachdem er vor zwei Jahren für Stefan Pucher und dessen "Andersen"-Projekt die Musik geschrieben hatte, holte der Regisseur ihn nun für seine Bearbeitung von "Quijote" auf die große Bühne. Premiere ist am 14. Januar.

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"Bei Quijote denken alle zuerst immer an den Ritter, der auf die Windmühle zureitet. Aber in Cervantes' Parodie auf die Rittergeschichten der damaligen Zeit steckt viel mehr drin, wie zum Beispiel die Idee, wie man Realität begreift oder wie man in der Außenperspektive gesehen wird", erklärt Meyer und rührt dabei in seinem verlängerten Espresso. Obwohl es nur noch ein paar Tage bis zur Premiere sind und der komplette Durchlauf noch längst nicht steht, strahlt der Musiker eine große Gelassenheit aus. "Das Stück entsteht als w ork in progress . Es werden viele Ideen diskutiert, da dauert es immer bis zur letzten Minute, dass man fertig wird." Ihm spukten Motive aus Spaghetti-Western im Kopf herum, ebenso wie Flamenco- und Mariachi-Musik. "Man braucht bestimmte Klischees, auf denen man aufbauen kann, um eine zweite Ebene zu erreichen", sagt er.

Flamenco ohne Gitarre ist schwierig, weshalb Meyer mit Ben Schadow einen zweiten Musiker dazugeholt hat. Der spielt Bass bei Bernd Begemanns Band Die Befreiung, ist aber auch auf Gitarre und Ukulele versiert und kennt sich mit spanischer Musik aus.

Stefan Pucher versteckt seine Musikanten nicht in der Kulisse, beide werden auf der Bühne prächtige Mariachi-Kostüme mit Sombreros tragen. "Auf der Bühne sind solche Kostüme lustig. Aber Künstler zu sein bedeutet nicht, tagsüber mit 'ner goldenen Hose rumzulaufen oder sich Perlen in den Bart zu flechten wie Keith Richards", sagt Meyer. Beim Interview sieht er mit dem dunklen Pullover und dem karierten Hemd aus, als habe einen Termin bei der Schwiegermutter, bei den Fotoaufnahmen trägt er einen roten Troyer. "Man will durch seine Kunst auffallen, nicht durch seine Kleidung", sagt er. In diesen Zirkus der Theatermusiker kam der korpulente Bartträger vor zehn Jahren hineingekommen, als Schorsch Kamerun am Schauspiel Zürich ein Stück mit dem Titel "Der digitale Wikinger" inszenierte. Rocko Schamoni schrieb die Musik und holte sich Meyer als Unterstützung hinzu. Seitdem hat der Pianist und Synthesizer-Frickler am Deutschen Schauspielhaus, am Theater Hannover, am Berliner Maxim-Gorki und am Thalia gearbeitet, überwiegend mit Kollegen aus dem Umfeld des Golden Pudel Klubs und von Studio Braun.

Durch den Pudel Klub ist der gebürtige Westfale - dessen französischer Künstler-Mittelname "Erobique" aus seiner Münsteraner Zeit stammt und keine besondere Bedeutung hat - überhaupt nach Hamburg gekommen. "Ich habe in den 90er-Jahren angefangen, professionell Musik zu machen als eine Art Alleinunterhalter. Mit Keyboards, Sequenzern und Effektgeräten. Ich hatte Auftritte im Pudel Klub und wurde dann gefragt, ob ich Fischmob auf einer Tournee im Vorprogramm begleiten will." Auf dieser Tour mit der Hamburger Hip-Hop-Band lernte Meyer Stefan Kozalla alias DJ Koze besser kennen, und als in dessen WG ein Zimmer frei wurde, verließ Meyer Münster und zog nach Hamburg.

Meyer hatte Grafikdesign studiert, doch das Studium bald hingeschmissen. Nach zehn Jahren Klavierunterricht und Leidenschaft für Musik wäre ein Musikstudium naheliegender gewesen, doch Meyer winkt ab: "Das hätte mir nur den Spaß genommen." Letztlich machte er seine Passion doch zum Beruf, ohne eine bewusste Entscheidung getroffen zu haben. "Die Musik hat sich in mein Leben geschoben", beschreibt er den Schritt zum Profi-Musiker.

Früher war er unter anderem Teil des subversiven Disco-Trios International Pony, gerade hat er die Filmmusik für die NDR-Serie "Der Tatortreiniger" geschrieben. "Musik muss mit Leidenschaft betrieben werden, aber man darf sich selber nicht zu ernst nehmen", lautet sein Credo. Einer seiner Träume ist es, am Theater einen Liederabend zu gestalten. Mit Songs von den Beatles, den Beach Boys, Sixties-Soul und vielleicht mit Frank Zappa. Könnte ein ziemlich lustiger Abend werden.

Quijote Premiere 14.1., 20.00, Thalia-Theater, Karten: T. 32 81 44 44