Alles andere als ausgetrocknet: Am St.-Pauli-Theater feiert Gerburg Jahnkes saft- und kraftvolle Wechseljahre-Revue “Heiße Zeiten“ Premiere.

Hamburg. In einer Revue über die Wechseljahre, das ist nur konsequent, müssen auch die Männer Frauen sein. Testosteron-Strotzereien haben auf der Bühne nichts verloren. Und so stöckeln Jan-Christof Scheibe und seine Band im kecken Stewardessen-Outfit an die Rampe (Kostüme: Eva Humburg). Ganz "dubidu" entspannt im Wechselschritt. Eine Art ausgeglichene Vorhut für die herrliche Hormon-Hysterie, die da für zwei Stunden folgen wird.

"Heiße Zeiten", die "Wechseljahre-Revue", die am Sonntagabend im St. Pauli Theater umjubelte Premiere feierte, ist genau das: heiß. Und das nicht nur, weil drei der vier Protagonistinnen unter Hitzewallungen samt Schweißlachen leiden. Regisseurin Gerburg Jahnke heizt ihrem Publikum von Beginn an mächtig ein. Flott sind die Frauenfiguren eingeführt, die da auf einen verspäteten Flieger nach New York warten.

Die Karrierefrau (April Hailer), 53, die zwischen ihren Geschäftsreisen immer noch Zeit für einen One-Night-Stand hat (Samantha Jones aus "Sex And The City" lässt grüßen). Die Hausfrau (Sabine Urig), 52, die von ihren Kindern zur Feier der Menopause einen USA-Trip geschenkt bekommen hat und schon am Check-In mit den Stützstrümpfen wedelt. Die Vornehme (Marion Martienzen), 57, deren Leben so eng und kontrolliert sitzt wie ihr zartrosa Chanel-Kostüm. Und die Junge (Anna Bolk), 39, die die biologische Uhr sehr, sehr laut ticken hört und sich ob ihres zeugungsunfähigen Verlobten in den Staaten künstlich befruchten lassen will. Statt Flugnummern verkündet die digitale Anzeige am Flughafen, wer wann zuletzt Sex hatte (Bühne: Eva Stankowski). Oder sich gar nicht mehr daran erinnern kann. Oder nur noch nach Ovulationskalender kopuliert.

Wem derlei nackte Tatsachen bereits zu viel Information sind, muss im Anschluss ganz tapfer sein. Denn zu adaptierten Popsongs wie Tina Turners "We Don't Need Another Hero" oder Mary Wells "My Guy" wird von Gedächtnisstörungen bis zu "Depression, Haarausfall und Brigitte Woman" alles verhandelt, was auch nur im Entferntesten mit Östrogen beziehungsweise dessen Verschwinden zusammenhängt. Die Junge etwa singt von "Harndrang", während sie auf dem Plastiksitz eifrig ihre Beckenbodenübungen macht.

Zwischen genussvoll einverleibten Cremes aus dem Duty-free-Shop und formschön abgelutschtem Eis am Stiel hechelt sich das quasselige Quartett auch hübsch gehässig durch gängige Klatsch-Klischees. Die Hausfrau lästert, dass ihre Mutter - so wie Nicole Kidman - auch nur noch die Augen bewegen könne. Aber das war nach einem Schlaganfall, nicht nach dem Liften. Und die Kasse hat alles übernommen.

Natürlich ist dieses feminine Feuerwerk auch garniert mit manch plattem Scherz ("Wie nennt man ein Glühwürmchen, das Viagra genommen hat?" - "Stehlampe!"). Der Witz "Jetzt eine Latte!", wobei der Milchschaum des Macchiato-Kaffees das Steifste an der Sache ist, gehört auch schon tief in die Kalauerkiste. Und einige Zoten navigieren mitunter arg an der (Fremd-)Schamgrenze. Aber der große Pluspunkt dieser Revue ist, dass frau endlich mal beherzt lachen darf über all die weiblichen Probleme, Schwächen und Verrücktheiten, die sonst im Alltag genant weggewurschtelt werden wie eine zwickende Slipeinlage.

Die Frauen im Premierenpublikum jedenfalls klatschen immer wieder euphorisch nach einzelnen Nummern. Sie johlen und stoßen spitze Schreie aus, als befänden sie sich bereits mitten im gerne besungenen Sex. Sie sind förmlich schon sichtbar, die Freundinnen-Cliquen, Kegelklübchen und Hennenfeste, die "Heiße Zeiten" zum Dauerbrenner machen dürften. Doch auch die Männer sollten sich trauen. Denn die Herren der Schöpfung kriegen nicht nur ihr Fett weg (Stichwort: Klabusterbeere), sondern können auch reichlich lernen an diesem Abend. Zum Beispiel, dass die Midlife-Crisis keine Männerdomäne ist. Und dass Frauen Ashton Kutcher das ist, was ihnen die Blondine ist.

Die Autoren Tilmann von Blomberg und Bärbel Arenz haben Prototypen geschaffen, die jedoch keine Abziehbilder bleiben, sondern dem Zuschauer ans Herz wachsen. Denn Jahnke hat ihren Klimakteriumskracher klug inszeniert und fügt auch nachdenkliche Passagen ein. Etwa, wenn die Vornehme zur Ballade "All By Myself" das Verhältnis zu ihrem Vater besingt. Ohnehin die Stimmen: Die sind wirklich stark, ohne überambitioniert zu überdrehen.

Und wenn die vier auf Klosterfrau Melissengeist Sirtaki tanzen und zum Discomedley ein Bauch-Beine-Po-Training hinlegen (Choreografie: Susanne Hayo), dann ist klar: Diese Mädels sind voller Saft und Kraft. Und alles andere als ausgetrocknet.

Heiße Zeiten bis 15.8., tägl. außer montags 20 Uhr (nicht am 11.7.), St.-Pauli-Theater, 17,65 bis 43,06 Euro, Abendblatt-Hotline: 040/30 30 98 98