TV-Regisseur Roland Suso Richter liebt das Kino. Produktionen wie “Der Tunnel“, “Mogadischu“ und “Die Grenze“ merkt man das an.

Hamburg. Nach gut 50 Wochen ist klar, dass es mit Hollywood nichts mehr wird. In dieser Zeit sitzt Roland Suso Richter zu Hause und liest Drehbücher. Viele Drehbücher. "Jede Woche kam ein neues", erinnert er sich. Die Kinofassung seines Sat.1-Zweiteilers "Der Tunnel" war in den USA sehr gut angekommen. Er durfte für die Disney-Tochter Miramax den Thriller "The I inside - im Auge des Todes" drehen. In Hollywood gilt Richter nun als "hot".

Er hat einen amerikanischen Agenten, der für den nicht versiegenden Strom an Drehbüchern sorgt. Realisiert wird aber kaum eines von ihnen - jedenfalls nicht von Richter, den ohnehin nur zwei der Skripte interessieren. Nach einem Jahr ist er dann nicht mehr "hot". Es kommen keine Bücher mehr. Hollywood hat sich erledigt.

Das war vor etwa sechs Jahren. Wenn man sich Richters neuestes Werk anschaut, den Sat.1-Zweiteiler "Die Grenze", der Montag anläuft, fragt man sich, warum es mit Hollywood und ihm nicht geklappt hat. Mit Produktionen wie "Dresden", "Das Wunder von Berlin" (beide ZDF) und "Mogadischu" (ARD) hat der 49-Jährige längst bewiesen, dass er unter den deutschen Fernsehschaffenden einer der handwerklich besten ist.

Mit "Die Grenze" setzt er noch mal eins drauf. Diesmal hat Richter nicht Zeitgeschichte verfilmt, sondern einen fantastischen, aberwitzigen Stoff: Nach Anschlägen auf Ölraffinerien hat sich die Wirtschaftskrise zugespitzt. In Rostock liefern sich Links- und Rechtsradikale Straßenschlachten. Am Ende sagt sich Mecklenburg-Vorpommern vom Rest der Republik los.

Im Zentrum der Geschichte steht der arbeitslose Werber Rolf Haas (Benno Fürmann), den der Verfassungsschutz in die Krisenregion an der Ostsee entsendet. Praktischerweise ist der Vater seiner Ex-Freundin (Marie Bäumer) einer der Wortführer der Linken. Und aus Haas' bestem Freund (Thomas Kretschmann) ist der aalglatte Anführer der Rechten geworden. Richter hat "Die Grenze" stringent und dicht inszeniert. Inspirieren ließ er sich dabei von der US-Kultserie "24", was man dem Zweiteiler anmerkt.

Trotz der Lorbeeren, die er im Fernsehen errungen hat, ist das Kino die große Liebe des Schauspielersohns. Er steht am Anfang seiner Karriere.

Nach dem Abitur und einem Praktikum bei einer Hamburger Videoproduktion zieht er 1981 nach München. Dort steht er mit dem damals kaum bekannten Heiner Lauterbach in einer Inszenierung der "Feuerzangenbowle", ist Redakteur und Aufnahmeleiter bei der Produktion von 25 Kurzfilmen im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeit und Komparse in Rainer Werner Fassbinders Film "Die Sehnsucht der Veronika Voss". "Ich habe damals an beiden Enden gebrannt", sagt er.

Weil die Eltern eines Mitglieds aus dem Ensemble der "Feuerzangenbowle" die Verfilmung eines Drehbuchs ihres Sohnes finanzieren, kann Richter sich als Regisseur versuchen. "Kolp" heißt der 1983 entstandene Streifen über einen Jungen der Nachkriegszeit, der in GI-Uniform den Schwarzmarkt aufmischt. Zur Besetzung zählen Heiner Lauterbach, Katja Flint und Ottfried Fischer. "Kolp" wird zu den Festspielen von Cannes eingeladen. Neben Roman Polanskis Erstling "Messer im Kopf" ist es der bislang einzige Debütfilm, dem diese Ehre widerfahren ist.

Aber Richters zweiter Film floppt.

Ende der 1980er-Jahre führt er bei der TV-Krimiserie "Alles Paletti" Regie. Es ist ein Kulturschock: "Bei Kinoproduktionen haben wir mitunter 17, 18 Stunden am Tag gearbeitet." Beim Fernsehen habe es aber Kameramänner gegeben, "denen die Abendverabredung im Tennisklub wichtiger war als der Film". Trotzdem bleibt Richter einstweilen TV-Regisseur. Die Krimiserie "Alles außer Mord", bei der er Regie führt, bekommt gute Kritiken, sein TV-Movie über den Kaufhauserpresser Dagobert ebenso.

Der zweite Durchbruch gelingt ihm mit einem Spielfilm: "14 Tage lebenslänglich" kommt 1997 in die Kinos. Es ist die Geschichte eines Anwalts, gespielt von Kai Wiesinger, der - statt seine Strafzettel zu bezahlen - für 14 Tage in den Knast geht, weil er sich davon einen PR-Effekt für seine Kanzlei erhofft. Doch daraus wird ein Horrortrip. Publikum und Kritiker sind begeistert. Richter ist mit sich zufrieden: "Ich habe zehn Jahre gebraucht", sagt er, "um wieder so locker zu werden, wie ich beim Dreh von ,Kolp' war."

Von nun an kann Richter beinah machen, was er will: die "Bubi Scholz Story" für die ARD oder den verstörenden Film "Nichts als die Wahrheit" für das Kino, in dem der von Götz George gespielte KZ-Arzt Josef Mengele als Greis nach Deutschland zurückkehrt, um ein faires Gerichtsverfahren zu verlangen. Schließlich das Mauer-Drama "Der Tunnel". Es wird von seinem Freund Nico Hofmann produziert, der schon in seinem ersten Kurzfilm mitwirkte und nun die Produktionsgesellschaft teamWorx gegründet hat.

Als es mit Hollywood nichts wird, arbeitet Richter fast ausschließlich für Hofmanns Firma. Hier entstehen die Erfolgsproduktionen "Dresden", "Das Wunder von Berlin" und "Mogadischu". Mit den Jahren hat Richter fast jede deutsche TV-Auszeichnung abgeräumt: Bayerischer Fernsehpreis, Deutscher Fernsehpreis, Goldene Kamera. Was reizt ihn da noch? "Ich habe ganz einfach Lust am Erzählen", sagt er und kommt auf Quentin Tarrantino zu sprechen. Der Amerikaner habe auch nur Lust auf gute Geschichten, und seien sie so aberwitzig wie zuletzt "Inglourious Basterds".

Noch immer reizt Richter das Kino. Da trifft es sich gut, dass sein Freund Hofmann in der Geschäftsführung der neu gegründeten Ufa Cinema sitzt. Wenn am Montag (Sat.1, 20.15 Uhr) "Die Grenze" startet, wird Richter in Malaysia seinen ersten Film für den Kinoableger der RTL Group drehen: "Das Dschungelkind" nach dem Bestseller von Sabine Kügler. Auch das Nachfolgeprojekt steht bereits: Richter wird für Ufa Cinema Noah Gordons Roman "Der Medicus" in Szene setzen.

Und so ist er doch dort gelandet, wo er immer hin wollte: beim Kino.