24. 12., 10.17 Uhr. Noch 281 Kilometer. Die Autositze sind kalt, aus dem Radio wechseln sich muntere Staumeldungen mit Glöckchen-Liedern ab. Noch einmal George Michael, und ich schreie. Haben wir alles? Pastete für Schwiegermama, Käse für Vater, Marzipan für Mutter? Verfressene Familie, wünscht sich immer nur Kulinarien. "Weihnachten in Hamburg ... das wäre schön", sage ich. "Nur du, ich, jede Menge geleerte Pizzakartons und die Fernbedienung. Nicht diese Rundreise jedes Jahr, 1000 Kilometer Stress." Mein Mann sagt: "Du lügst."

Er hat recht. Er weiß, was passieren wird. Nur nicht, wann.

Im Tankstellen-Markt brennt eine elektrische Kerze, mit Plastiknadelgewölk umkränzt, auf dem Bistrotisch, Stammgäste stellen Jägermeisterpüllekes zum Schachbrett auf. "Tüllich ist das die Dame, trink ma'n Schluck, dann siehstest!" Das Auto bekommt Wachs.

Noch 205 Kilometer. Im Wagen ist es mollig, Melodien knistern aus dem Radio, die Sonne ist scheu. Noch einmal taucht die Vision einer Thunfischpizza und meines Spiegelbilds im schlamperten Homedress auf. Dann setzt sich ein Mann mit Gitarre und reifrauer Stimme zu uns. Er singt davon, wie es ist, nach Hause zu fahren. Driving home for Christmas.

Nach Hause.

Mein Herz beginnt sich zu weiten, es will Flügel haben, um zu eilen. Erinnerungen tanzen wie Schneeflocken: Kindheit, Mädchensein, Frausein und darin alle Weihnachten verwoben; die zärtlichen und die anstrengenden, die verrückten und die verfressenen; die verzankten, auf die die versöhnlichen, milden folgten. Alles schiebt sich übereinander, die Vergangenheit, die Zukunft, wenn ich an die lächelnden Augen denke, wenn wir durch die Tür treten mit unseren albernen roten Zipfelmützen, und die Gegenwart. Der Mann neben mir, das zuverlässige Bullern des Motors, die anderen Heimkehrer auf den Straßen. Vibrierende Vorfreude füllt mich ganz und gar aus, gepaart mit solcher Sehnsucht, dass alles gut wird. Alles, für mich, für die Welt. Die Liebe zum Leben schenkt sich mir bedingungslos.

Es ist Weihnachten. Und genau hier will ich jetzt sein.

Unterwegs nach Hause.

... und nach der Rundreise? Entspannen bei Cowboyromantik mit Swing und R&B: "One Trick Pony", die Stringband von Krimiautor Jörn Ingwersen, spielt am So 27.12., 21.00, Musicclub Live (U Christuskirche), Fruchtallee 36, 5,-; www.music-club-live.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.