Die ARD setzt ihre erfolgreiche Weihnachtsserie von Märchenverfilmungen fort - mit dezenten Modernisierungen.

Hamburg. Wir sind durchaus ein seltsames Volk. Nicht lange her, da musste, wer in Funk, Fernsehen und Stadttheater an die Inszenierung grimmscher Märchen gelassen werden wollte, Kurse in Gender-Studien, Psychoanalyse und neuerer Marx-Engels-Forschung nachweisen können. Nachdem die Damen und Herren vom Märchenregietheater ihre Vorlagen lange genug politisch korrekt ausgeklopft hatten (geschätzt so zwei Jahrzehnte lang), blieb nur noch eine fadenscheinige Menge Stoff über, dem sogenannte Komödianten wie Hella von Sinnen den Rest geben konnten. Als sich dann im vergangenen Jahr mehrere ARD-Sender zusammentaten, für die Weihnachtsprogramme sechs dieser alten, scheinbar vollkommen verplunderten Erzählungen neu zu verfilmen, neu ernst zu nehmen, zeigte sich, dass wir (oder zumindest einige von uns) schon wieder so weit sind, das Dunkle, das Schwarzromantische, schlicht das Deutsche in den doch verhältnismäßig hellen Grimm-Filmen zu vermissen.

Das hat im vergangenen Jahr zum Glück niemand davon abgehalten, sich die sechs Einstünder anzusehen und die Weihnachtstage zumindest teilweise mit dem tapferen Schneiderlein, dem Froschkönig und der Pechmarie vor dem Fernseher zu verbringen. Die Quoten der mit sechs Millionen nicht eben billigen Produktionen waren prima. Bis zu drei Millionen ließen zugunsten der Grimms den Weihnachtsbaum Weihnachtsbaum sein. Weswegen in diesem Jahr verstärkt nachgelegt wurde. Vom ersten Weihnachtstag an gibt's nicht nur sechs, sondern gleich acht Märchen auf einen Streich. Und wieder tändelt gerade in den Nebenrollen durchs öffentlich-rechtliche Fantasialand, was nur gerade einen Termin im Kalender frei hatte. Hannelore Elsner (als grandiose Hexe in Rapunzel), Sonja Kirchberger (als großartig schaurig-schöne Stiefmutter in Schneewittchen), Kai Wiesinger (als gelangweilter König im gestiefelten Kater).

Der Himmel ist dauerblau über dieser grimmschen Welt, die ausgesprochen hübschen Kostüme sind frisch gewaschen, die Fingernägel manikürt, die Tiere frisch gestriegelt. Die jungen Paare, die sich unweigerlich finden, sind allerliebst, schön wie Ebenholz. Und alle haben sie die Haare schön. Man erfährt auch wieder, welch herrliche und brutalstmöglich saubere Museumsdörfer, welch herrliche und brutalstmöglich saubere Schlösser und Burgen man im Sommerurlaub überall in Deutschland mit den Kindern besuchen könnte, wenn man nicht in die DomRep fliegen würde.

Denkmalpflege zahlt sich eben doch irgendwann aus. Was durchaus auch für die acht Märchen gilt, derer sich die unterschiedlichen Sender mit unterschiedlichen Teams angenommen haben. Denn sie haben sie nicht in einen Streichelzoo verwandelt, die Geschichten. Sie haben sie nicht brutal gegen den Strich gebürstet. Sie haben sie wieder dezent analytisch aufgehübscht, dezent interpretiert, dezent ironisiert, dezent modernisiert. Ohne dass die acht Geschichten in einer öffentlich-rechtlichen Konsenstunke versenkt worden wären. Denn vor allem haben sie die Figuren, gerade die bösen, aus der Eindimensionalität geholt. Motivationen von Handlungen werden auserzählt, Nebengeschichten neu erfunden, der manchmal dürre Plot wird geschickt ausgepolstert.

Man kann sich ruhig niederlassen auf diesem fliegenden Geschichtenteppich. Er piekt weniger als die Nadeln vom Baum. Und er hat vor allem eins, was jeder bösen Stiefmutter abgeht - Charme.

Termine 25.12.: Schneewittchen (14.45), Rapunzel (15.45), Der gestiefelte Kater (16.45); 26.12.: Dornröschen (14.45), Die Gänsemagd (15.45), Rumpelstilzchen (16.45); 2. Januar: Die Bremer Stadtmusikanten (15.30), Die kluge Bauerntochter (16.30)