Im dicht besetzten Schauspielhaus geriet die Lesung von Rocko Schamoni zum höchst amüsanten, narzisstischen Poetry-Slam.

Hamburg. "Rocko Schamoni liest irgendwas." Die Ankündigung des Hamburger Szenestars reicht, und die "Pudel"-Gemeinde versammelt sich vollzählig. Das Schauspielhaus ist dichter besetzt als in manchen Repertoire-Vorstellungen. Sogar im zweiten Rang. Die Leute lachen schon, bevor der Kultsänger überhaupt zu sehen ist. Er ist nur zu hören und kündigt sich den "lieben Nikotinisten, den Beutel-, Filter- und Zigarren-Rauchern" reißerisch an: "Ja, er ist es! Nein, doch nicht! - Da kommt er schon: Hier ist er!" Auftritt durch die Bodenluke. Begrüßungsjubel.

Der Mittvierziger wirkt wie Muttis Liebling - Linksscheitel und adrettes Sakko -, lässt aber sofort mit schiefem Grinsen den bösen Buben heraushängen. Kickt seine Schuhe weg, kloppt Sprüche, albert mit dem Plastik-Klatschmohn in den Vasen herum, kippt sich Bier ins Glas und beginnt zu quarzen. Und sagt gönnerhaft: "Ich lass meine Raucherhand runterhängen, und ihr könnt dann an meinen Fingern saugen."

Echt Rocko. So mögen sie ihn. Eigentlich ist doch allen ganz egal, was er aus seinen Büchern zum Besten gibt.

Lesungen sind ohnehin öde, Hauptsache, die Show zu den literarischen Lappalien gerät derbe und lässig. Die zieht der Schamoni, seinen Künstlernamen pflichtschuldig bestätigend, ohne Scham gekonnt durch.

Der "Stimmenversteller" liefert sich mit seinen Texten eine Art narzisstischen Poetry-Slam. Er referiert aus "Sternstunden der Bedeutungslosigkeit" , schweift ab, spinnt Sätze fort und lässt sie in den Nonsens kippen.

Über die improvisierten verbalen Bubenstreiche lacht er diebisch und freut sich über die Hamburger und ihr "gelebtes sexuelles Mitleid" mit dem von seiner "Love" verlassenen Versager Michael Sonntag.

An der Drohung, das komplette Werk an einem Abend durchzugehen, verliert der Autor als Erster die Lust, begnügt sich unter anderem mit der Geschichte "New York" aus der Zweitauflage seines Flops "Risiko des Ruhms: Director's Cut".

Auf die Erzählung vom abgefahrenen Trip nach Big Apple im Öltanker setzt er eine Kostprobe aus dem Buch in Arbeit drauf. Sonntag, die Fortsetzung. Sie handelt offenbar von dessen Alterselend in der "Hölle der Meinungen" als Kolumnist. Unterbrochen durch den Anruf von einem Felix ("Verrückter Typ") mosert Rocko über diese "Menschen belästigende Buchstabenfolterknechte", um sogleich seine Zuhörer mit einer Kolumne zu traktieren. Eine mörderische Parodie, versteht sich. Dann meint Rocko cool: "So, hier is jetzt Schluss mit dem Quatsch." Womit er völlig recht hat. Aber Erlebnis war's irgendwie doch.