Hamburg. Die Wüste schlägt zu. Der Mann verschwindet unaufhaltsam im Treibsand. Ähnlich hilflos wie in der Filmszene aus "Lawrence von Arabien" setzt Carles Batlle die drei Personen in seinem Stück "Versuchung" dem verhängnisvollen Sog von Missverständnissen aus. Der Traum vom selbstbestimmten Leben liefert sie dem Unglück aus. Dieter Seidel ist mit seiner klaren, packenden und auf das überzeugende Schauspieler-Trio konzentrierten Inszenierung am Theater N.N. eine sehenswerte Entdeckung gelungen.

Der Autor, Dozent und Dramaturg Carles Batlle, Jahrgang 1963, begründete mit dem hier bekannteren Kollegen Sergi Belbel ("Nach dem Regen") und anderen das moderne katalanische Drama. In "Versuchung" beschäftigt er sich - wie in seinen anderen Stücken - mit Erinnerung, Entwurzelung, Generationskonlikten. Aber auch mit den Problemen im Europa der durchlässigen kulturellen und politischen Grenzen, der Flüchtlinge und Immigranten vor Bürgerkrieg und Not.

Die Marokkanerin Aixa (Leili Novi Tazari) ist vor der Zwangsheirat übers Meer illegal nach Spanien geflohen und arbeitet als Hausmädchen bei Guillem (Tammo Messow). Der berechnende Zyniker macht Geld mit der Vermittlung von "Schwarzarbeitern", hat sich zudem wider Willen in die Araberin verliebt. Als deren Vater Hassan (Ulrich Lenk) ohne Papiere auftaucht, geraten die Figuren in einen unheilvollen Strudel ihrer emotionalen und existenziellen Verstrickungen.

In Monologen offenbaren sie sich, sprechen jedoch nicht offen miteinander. Jeder hat seinen Film im Kopf. Seine Wahrheit. Seinen Traum von der Freiheit und der Liebe, dessen Versuchung er erliegt, ihn aber (un)wissentlich zerstört: Weil es als Fremder oder sich fremd Gewordener unmöglich wird, dem anderen oder sich völlig zu vertrauen. Guillem durfte sich als Filmregisseur nicht verwirklichen. Batlle nutzt das in deutlicher Anlehnung an Pedro Almodóvar, zum krimiartigen Spiel mit den Ebenen zwischen Erinnerung, Filmfantasie und Realität, die den Personen fatalerweise immer mehr entgleitet.

Versuchung wieder am 7.- 9., 14.-16. und 28.- 30.1., 20 Uhr, Theater N.N., Hellkamp 68, T. 38 61 66 88