Der 60-Jährige will seinen Sender in die digitale Zukunft führen. Eine wichtige Rolle bei diesem Projekt spielt ZDFneo.

Mainz. Der Kampf um eine Vertragsverlängerung seines Chefredakteurs Nikolaus Brender, die Verwaltungsratsmitglieder um den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch verhinderten, hat bei ZDF-Intendant Markus Schächter (60) Spuren hinterlassen. Beim Interview in seinem Büro im 14. Stock des ZDF-Hochhauses auf dem Mainzer Lerchenberg wirkt er kämpferisch, aber auch angespannt.

Hamburger Abendblatt:

Herr Schächter, Sie gelten als Literaturliebhaber. Konnten Sie Kraft aus Büchern ziehen, als Sie vergeblich versuchten, den ZDF-Verwaltungsrat von der von Ihnen gewünschten Vertragsverlängerung mit Chefredakteur Nikolaus Brender zu überzeugen?

Markus Schächter:

Die Zeit von der Sie sprechen, war keine Zeit für Literatur, sondern für harte Verhandlungen.

Abendblatt:

Kam Ihnen während der Auseinandersetzungen mal der Gedanke, dass es keine schlechte Idee gewesen wäre, wenn Sie einen Beruf ergriffen hätten, bei dem Sie es mit Büchern statt mit machtbesessenen Politikern zu tun haben?

Schächter:

Ich habe einen der interessantesten Jobs dieser Republik. Zu diesem Job gehört es, auch härtere Zeiten durchzustehen.

Abendblatt:

Sie dachten nie daran, die Brocken hinzuschmeißen?

Schächter:

Es ging nicht um Markus Schächter, es ging um das ZDF.

Abendblatt:

Im Western bleibt nach dem Showdown der Verlierer auf der Strecke. Sie aber machen weiter, als wäre nichts geschehen.

Schächter:

Das ZDF muss handlungsfähig bleiben. Wir sind in einer Phase, in der sich die Zukunft des Senders entscheidet. Da geht es nicht, dass der Chef die Bühne verlässt.

Abendblatt:

Werden Sie Ihren Vertrag bis 2012 erfüllen?

Schächter:

Sicher.

Abendblatt:

Sie haben unmittelbar nach der Ablehnung einer Vertragsverlängerung Brenders durch den Verwaltungsrat die Länder als Träger des ZDF aufgefordert, neue belastbare Grundlagen zu schaffen, um die vom Grundgesetz geforderte Programmautonomie Ihres Senders zu sichern.

Schächter:

Ich bin froh, dass die Rundfunkkommission der Länder diese Forderung aufgegriffen und auf ihre Tagesordnung gesetzt hat.

Abendblatt:

Denkbar ist auch, dass ein Bundesland oder ein Viertel der Bundestagsabgeordneten in dieser Sache vor das Bundesverfassungsgericht zieht - ein sogenanntes Normenkontrollverfahren.

Schächter:

Der Vorteil einer politischen Lösung ist, dass Sie sehr viel schneller kommen kann.

Abendblatt:

Sie könnten auch klagen - wenn zunächst auch nur vor dem Verwaltungsgericht.

Schächter:

Bis meine Klage über den Instanzenweg möglicherweise in Karlsruhe ankäme, wären mindestens zweieinhalb Jahre vergangen. In einer Zeit, in der wichtige Weichen gestellt werden, kann der Intendant nicht im jahrelangen Rechtsstreit mit seinem Verwaltungsrat liegen.

Abendblatt:

Wurden Sie durch Kochs harte Gangart nicht auch selbst beschädigt?

Schächter:

Ich habe in den letzten sieben Jahren auch mit diesem Verwaltungsrat das ZDF nach vorne gebracht. Ich habe in kürzester Zeit mit Peter Frey einen neuen Chefredakteur vorgeschlagen, der einstimmig vom Verwaltungsrat bestätigt wurde. Peter Frey ist unabhängig. Er sitzt auf dem Fahrersitz und wird sich von niemandem ins Lenkrad greifen lassen. Wir sind auf dem Weg nach vorne.

Abendblatt:

Der ehemalige SWR-Intendant Peter Voß, der auch für das ZDF gearbeitet hat, sagt, Frey wird dieselben Probleme wie Brender bekommen, wenn er dessen unabhängigen Stil pflegt.

Schächter:

Peter Voß weiß am besten, dass er hier jedwede journalistische Freiheit gehabt hat. Es ist an uns, diese Freiheit zu verteidigen.

Abendblatt:

Was sagen Sie Leuten, die das ZDF nun für einen Regierungssender halten?

Schächter:

Schauen Sie sich beispielsweise "heute", das "heute-journal", "Frontal21", "Illner" und "Berlin direkt" an. Das sind Sendungen, die wegen Ihrer Qualität, Professionalität Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit in Deutschland erste Adressen sind.

Abendblatt:

Die "FAZ" und das NDR-Medienmagazin "Zapp" sehen in Ihrer Entschuldigung beim chinesischen Botschafter für einen Beitrag Ihrer Satiresendung "Heute Show", in dem Chinesen auf der Frankfurter Buchmesse verhohnepiepelt wurden, ein Indiz dafür, dass das ZDF ein Regierungssender werden könnte. Der Beitrag ist aus der ZDF-Online-Mediathek entfernt worden.

Schächter:

Ich habe dem Botschafter mein Bedauern ausgedrückt. Das Wort Entschuldigung kommt in dem Brief nicht vor. Das ist ein wichtiger Unterschied.

Abendblatt:

Warum verstecken Sie eigentlich die von der Kritik hochgelobten Programme Ihres neuen Ablegers ZDFneo in einem reichweitenschwachen Digitalkanal?

Schächter:

Wir stellen uns den Herausforderungen des digitalen Zeitalters: Wir planen komplementär zum Hauptprogramm. Ein einziges Programm kann nicht mehr alle Gruppen der Gesellschaft ansprechen. ZDFneo richtet sich an die Mitte der Gesellschaft, an die 25- bis 50-Jährigen.

Abendblatt:

Warum verjüngen Sie Ihr Hauptprogramm nicht, dessen Zuschauer im Schnitt älter als 60 Jahre sind?

Schächter:

In ganz Europa verlieren Sender, die wie wir hauptsächlich Informationssendungen im Programm haben, jüngere Zuschauer. Da Information aber unsere Kernkompetenz ist und bleibt, entwickeln wir um das Hauptprogramm herum eine Programmfamilie, die die gesamte Gesellschaft abbildet. ZDFneo ist da ein kleiner, zarter Anlauf. Dass sich die Privatsender darüber so aufregen, zeigt uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Abendblatt:

Wäre es nicht sinnvoll, wenn ihr Hauptprogramm von ZDFneo das eine oder andere übernähme?

Schächter:

Das wird geschehen. Wir sind erst einen guten Monat auf Sendung und haben schon drei bis vier Formate, die wir 2010 ins Hauptprogramm übernehmen können. ZDFneo ist unser Labor, wo wir etwas ausprobieren.