Hamburg. Da soll sich noch mal einer über die jungen Damen mokieren, die in den letzten Jahren eine erstaunliche Zahl perfekter, womöglich allzu glatter Aufnahmen von Beethovens Violinkonzert vorgelegt haben. Wie nötig dieses Gipfelwerk der Violinliteratur unangestrengte Eleganz hat, merkt man erst richtig, wenn sie einmal fehlt - wie gerade bei dem sibirischen Geiger Vadim Repin.

Repin kam mit den Bamberger Symphonikern und deren Chef Jonathan Nott in die Laeiszhalle. Nott ist Spezialist für Neue Musik und also von Berufs wegen jemand, der sich von einer Partitur ein eigenes Bild macht. Seiner Beethoven-Lesart half das indes nicht auf die Beine. Die ausgedehnte Exposition des ersten Satzes kam klanglich kultiviert und beweglich daher, aber ohne Rückungen oder Überraschungen. Und als dann Repin mit den aufsteigenden Oktaven einsetzte, da hatte die Hörerin das Gefühl, er klebte an jeder Note, obwohl er sie doch auswendig vortrug.

Repins Spiel fehlte einfach der Atem: Die Phrasen verstolperte er häufig; mal betonte er eine Nebensilbe, dann wieder blieb er einen Wimpernschlag lang auf einem Ton hängen - von seinem festen Vibrato und der gelegentlich matten Intonation zu schweigen. Dabei ist er ein hochvirtuoser Geiger: Je mehr Doppelgriffe und winzige Noten pro Takt er zu spielen hatte, desto weniger stand er sich und der Linie im Wege. Gerade im letzten Satz zeigte sie sich dann doch noch die noble Eleganz des Werks.

Den ersten Satz von Dmitri Schostakowitschs Zehnter Sinfonie e-Moll färbte das Orchester fast wagnerisch dunkel ein und hüllte ihn so in samtweiche Trauer.

Aus dieser intimen Atmosphäre führte Nott das Orchester in nicht nachlassender Intensität durch die Steigerungen bis ins gleißendste Fortissimo. Die unkonventionellen Schlangenbewegungen seiner Unterarme, Hände und Finger ließen es allerdings häufig unklar, wo genau der Schlag sitzen sollte. Viele Pizzicati klapperten, so mancher Akkord murmelte sich erst in seine Gestalt hinein.

Ansonsten aber wurde es eine bezwingende Reise durch Schostakowitschs Kosmos: Mal betätigten die Musiker sich als Landschaftsmaler, mal zeichneten sie Charaktere wie in der Oper - allen voran im dritten Satz den Diktator Stalin, dessen Ableben Schostakowitsch mit kaum verhohlener Freude besingt.

Und die vielen D-Es-C-H-Tonfolgen, mit denen der Komponist dem letzten Satz seine Initialen einschrieb, türmten sich zu einem klingenden Triumph auf. Großer Jubel.