“Séraphine“ wird der Malerin mit ganz besonderen Bildern gerecht

Wenn das Leben manche Geschichten nicht bereithielte, müsste man sie für ein Drehbuch glatt erfinden. Das Leben der Malerin Séraphine Louis, genannt de Senlis, ist so eine Geschichte. Die eigenbrötlerische Frau schrubbt Anfang des 20. Jahrhunderts Fußböden und versteht sich aufs Teekochen - privat umarmt sie Bäume und rührt aus Hühnerblut und geklautem Kerzenwachs Farben an, mit denen sie in einer Art Trancezustand überbordende Pflanzenbilder schafft. Den Pinsel führt ihr keine Geringere als die Heilige Jungfrau.

Das klingt zunächst wenig aufregend. Ist aber von Regisseur Martin Provost in einen biografischen Film übersetzt worden, der schon dank seines Mutes zur Zurückhaltung stattliche sieben französische Césars verdient hätte.

Auf der Leinwand regiert die Stille. Gesicht und Mimik der Séraphine-Darstellerin Yolande Moreau falten sich zu einer Landschaft, in der sich Gefühle in einem meisterhaften Minimalismus manifestieren. Wir sehen sie nackt in einem Fluss baden oder entschlossenen Fußes eine Wiese abschreiten. In ihrer selbst gewählten Armut und Bescheidenheit und ihrer Kunst kennt diese Frau keine Kompromisse.

Stoff für dramatische Konflikte liefert die vielschichtige Beziehung zu ihrem Mäzen, dem deutschen Kunsthändler und Rousseau-Entdecker Wilhelm Uhde. Ulrich Tukur gibt ihn mit sicherem Gespür für die Zwiespältigkeit der Figur. Erst entdeckt und fördert er Séraphine, die ihm den Haushalt führt, später wird er sie mehrfach fallen lassen und sich doch, als die geistige Umnachtung langsam Besitz von ihr ergreift, als wahrer Freund erweisen.

Séraphine de Senlis sollte später zu einer der wichtigsten Vertreterinnen der nativen Malerei avancieren. Eine stimmigere Würdigung hätte man sich für diese erstaunliche Frau nicht wünschen können.

++++- Séraphine F/B 2008, 125 Min., ab 12 J., R: Martin Provost, D: Yolande Moreau, Ulrich Tukur, Anne Bennent, im Abaton, Blankeneser; www.seraphinemovie.com