Zuerst bekam Haschke kein Engagement, dann öffnete ihm “Herr Lehmann“ alle Türen. Es war “eine untypische Entscheidung der Jury“, meint er.

Hamburg. Er war total überrascht, hatte gerade einen Rolf-Mares-Preis erhalten und dachte überhaupt nicht an den Boy-Gobert-Preis der Körber-Stiftung. "Verglichen mit den Vorjahren war es auch eine untypische Entscheidung der Jury", meint Stefan Haschke. Meist wählte sie Kollegen vom Thalia oder Schauspielhaus. Aber diesmal zeichnete sie ihn, den 27-jährigen, frei arbeitenden Schauspieler für "Herr Lehmann" am Altonaer Theater und Adam in der Kammerspiele-Produktion von Neil LaButes "Das Maß der Dinge" aus. Am kommenden Sonntag erhält Haschke den Preis im Thalia Theater bei der traditionellen Matinee (11 Uhr, Eintritt frei).

Er habe die seltene Gabe, heißt es in der Jury-Begründung, "das Unscheinbare an einem Durchschnittstypen augenfällig zu gestalten und den Verzweiflungen eine Komik abzugewinnen, weil er sie existenziell ernst nimmt." Dass er komisch sein kann, wurde ihm erst beim Schauspielstudium in Hamburg bewusst, obwohl er mit acht Jahren zum ersten Mal auf der Bühne gestanden hatte. "Im Krippenspiel hatte ich einen Satz: Meine Mutter kocht gute Suppe."

Aufgewachsen in der Leipziger Plattensiedlung Grünau, wollte Haschke wie der kleine Indianer Atréju sein, die reitende "Grünhaut" aus Michael Endes "Unendlicher Geschichte". Er spielte weiter fleißig Theater, zögerte jedoch - hasenfüßig und nicht indianermutig -, sich bei Schauspielschulen zu bewerben. "Ich hatte Angst davor, ein Nein zu hören."

Haschkes bester Freund und ein Zufall kamen ihm zu Hilfe. "Er hatte einen Vorsprechtermin an der Hamburger Theaterakademie, den er mir abgab, weil er in Essen angenommen worden war." Es klappte. Haschke bestand die Aufnahmeprüfung und kam 2004 nach Hamburg. Jeder kleine Indianer muss einmal in die große unbekannte Welt.

Es kam dann auch dicke, denn nach Abschluss des Schauspielstudiums hatte er kein Engagement. "Mein Selbstbewusstsein war weg. Ich dachte, jetzt sitze ich auf der Straße, weil ich zu schlecht, zu klein, zu hässlich bin." Kammerspiele-Dramaturgin Anja Del Caro holte ihn aber für Ulrike Grotes Inszenierung "Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss" ans Altonaer Theater. Dann kam "Herr Lehmann". Im Rückblick eine Riesenchance. "Ich habe gemerkt, dass am Privattheater andere Bedingungen als am Staatstheater herrschen, aber nicht unbedingt schlechtere." Er musste Verantwortung für Hauptrollen übernehmen, konnte nicht mehr vorsichtig nach "Grünhaut"-Taktik aus dem Hintergrund agieren, um auf sich aufmerksam zu machen. "Eine Superschule, über zwei Stunden den Rhythmus eines Abends zu gestalten und mitzutragen."

"Herr Lehmann" hat Haschke Türen geöffnet. Er gastiert jetzt am Schauspielhaus in "Pünktchen und Anton" und "Der Auftrag", spielt im ARD-Fernsehfilm "Der gestiefelte Kater" (25.12., 16.45 Uhr) und im Kinofilm "Goethe" dessen Studienfreund. "Eine kleine, aber wieder komische Rolle. Ich muss Geduld haben, lernen loszulassen und meine Nische als Schauspieler suchen." Gesunden Abstand zur Kunst, den Blick offen zu halten für das Wesentliche im Leben, helfen ihm seine Frau und die eineinhalbjährige Tochter Anna-Maria. "Ihr ist es doch ganz egal, wo und was ich spiele, sie will ihren Keks."

Herr Lehmann und Adam sind genau die Rollen, die Stefan Haschke interessieren. "Beide sind erst mal Verlierertypen. Sie werden, wie ich es auch erlebt habe, leicht unterschätzt. Aber durch das, was sie machen und auszeichnet, werden sie letztlich doch noch zu Gewinnern."