Zwei der großen deutschen Schauspielerinnen als Mörderinnen auf der Bühne: Sie sprechen über Kunst, Klamauk und über Hamburg als Theaterstadt.

Hamburg. "Arsen und Spitzenhäubchen", das ist jene schwarze Komödie, in der zwei liebenswürdige, skurrile alte Schwestern den Spruch "eine Leiche im Keller haben" allzu wörtlich nehmen. Zwölf einsame Männer haben sie umgebracht. Bruder Teddy, der sich für Roosevelt hält, hat sie im Keller begraben. Mord als Hobby ist in dieser Familie verbreitet, denn auch Neffe Jonathan hat schon zwölf Menschen umgebracht. Und Neffe Mortimer versucht zu verhindern, dass dieser mörderische Wettkampf weiter ausartet. Die Krimi-Komödie 1941 geschrieben und 1944 - mit Cary Grant in der Rolle des Mortimer - ins Kino gekommen, entstand, als die Welt aus den Fugen geraten war. Regisseur Uli Waller bringt das Stück nun mit den Starschaupielerinnen Eva Mattes und Angela Winkler auf die Bühne des St.-Pauli-Theaters. Am 3. Dezember ist Premiere. Wir sprachen mit den beiden Schauspielerinnen.

Hamburger Abendblatt: Sie haben am Deutschen Schauspielhaus, am Burgtheater, dem Berliner Ensemble und an der Berliner Schaubühne ihre Karrieren gemacht. Warum spielen Sie plötzlich in einer Klamotte?

Angela Winkler: (lacht) Eine Klamotte würde ich dieses Stück aber nicht nennen. Warum tun Sie das?

Abendblatt: Weil Sie Typen und Klischees bedienen müssen .

Winkler: Also bedienen tun wir gar nichts. Oder, Eva?

Eva Mattes:

Wir spielen das Stück. Das ist eine Komödie. Die Zuschauer können viel lachen. Das macht Spaß.

Winkler: Wir spielen das nicht klamottig, sondern sehr fein. Nicht 'batsch', da ist eine Pointe. Wir spielen miteinander.

Mattes: Wir spielen wie immer.

Abendblatt: Sie spielen Komik genauso wie Shakespeare?

Mattes: Man muss immer in der Situation drinbleiben. Man darf keinesfalls einen komischen Text noch durch übertriebenes Spiel bedienen.

Winkler: Ja, das ist die Kunst, dass man da nicht noch etwas Komisches draufsetzt.

Mattes: Man kann natürlich noch Situationskomik hinzutun. Das darf aber nicht ausgedacht sein, sondern muss durch Genauigkeit entstehen. So haben wir aber immer gearbeitet. Auch mit Peter Zadek.

Abendblatt: Arbeiten Sie lieber mit Improvisationen oder mit strengen Regieanweisungen?

Winkler: Strenge Regieanweisungen? Wie soll das gehen? Wir spielen miteinander, der Regisseur guckt zu und führt alles zusammen. So entsteht die Inszenierung. Eigentlich ist alles ganz einfach, wir entwickeln etwas gemeinsam. Etwas, wovon ich nicht überzeugt bin, würde ich nie machen. Schlechtes Theater gibt es nur, wenn zu viel Druck da ist, zu viele Inszenierungsideen.

Abendblatt: Orientieren Sie sich für diese schrulligen Schwestern an Vorbildern?

Winkler: Wir haben Perücken auf. Und wir schauen uns an und denken darüber nach, wie wir aussehen, wenn wir ganz alt sind. Ich sehe meine Mutter an. Gehe durch die Stadt und gucke. Wie bei jeder Rolle.

Mattes: Ich hatte dafür gar keine Vorbilder. Meine Mutter war ganz anders. Die hat auf dem Tisch getanzt. Und Beine gezeigt. Auch im Alter.

Winkler: Meine Mutter macht auch noch Spagat. Mit 96. Nicht ganz, bis 90 hat sie's gemacht.

Abendblatt: Lassen Sie sich von dem Film beeinflussen?

Winkler: Gar nicht.

Mattes: Nein. Ich mochte ihn auch lange nicht. Das war mir alles zu dick aufgetragen.

Abendblatt: Sie spielen sympathische Mörderinnen. Was sind das für Menschen?

Mattes: Beide sind sehr fürsorglich und hilfsbereit. Sie lieben das Morbide. Ihr Vater war Arzt, hat Menschen seziert, dabei durften sie immer zusehen. Wahrscheinlich sind sie dabei geistig ein wenig auf die schiefe Bahn gekommen. Sie sind glücklich, fröhlich. Sie haben sehr viel Geld und kümmern sich um andere. Weil die Männer, die sie umbringen, so einsam sind, fühlen sie sich als rettende Engel. Sie empfinden nichts Böses dabei, und sie haben kein schlechtes Gewissen.

Winkler: Die beiden Schwestern kennen sich in- und auswendig, wie ein altes Ehepaar. Waren wohl schon immer Hand in Hand und haben in einem Zimmer geschlafen und sich nachts Geschichten erzählt. Eva spielt Abby, sie ist die resolutere von beiden, die Anführerin. Martha ist die Giftmischerin.

Abendblatt: Hatten die auch mal Männerbekanntschaften normaler Art?

Winkler: Das kam mir noch nicht in den Sinn. Aber kleine Gelüste hat sie auch.

Mattes: Meine Abby flirtet gern ein bisschen. Es gibt ja einen Mann im Haus, den Bruder.

Abendblatt: Eva Mattes sieht man heute meist im Fernsehen, Angela Winkler viel auf der Bühne. Würden Sie gerne tauschen?

Winkler: Ich kann mir in meinem Leben alles vorstellen. Ich habe in den letzten Jahren sehr viel mit Peter Zadek gearbeitet. Auch mit Schlingensief. Ich singe Schubert-Lieder. Das meiste kommt auf mich zu. Ich brauche meine Freiheit, mich zu entscheiden. Ich möchte offen sein für das, was passiert. Wenn man mich bitten würde, eine Tatort-Kommissarin zu spielen wie Eva, würde das bei mir wahrscheinlich so eine werden wie Peter Falk. Die mit Plastiktüten herumläuft. Und ein bisschen verpeilt ist. Das würde mich interessieren.

Mattes: Ich würde gerne wieder mehr Theater spielen. Nicht so viel wie früher. Aber ich habe kaum Zeit. Ich arbeite seit anderthalb Jahren ohne Pause. Liederabende, Tatort, Lesungen, Benefiz-Veranstaltungen, zwei Filme. Ich war fast 20 Jahre fest engagiert. Jetzt, wo meine Kinder groß sind, könnte ich auch mal woanders Theater spielen.

Abendblatt: Sie haben beide lange in beziehungsweise bei Hamburg gewohnt, leben jetzt in Berlin. Bemerken Sie Unterschiede zwischen dem Berliner und dem Hamburger Publikum?

Mattes: Ich spüre das total. Hier ist mein Publikum. Ich merke das, wenn ich durch Hamburg gehe. Hamburg ist Theaterstadt. Mehr als Berlin.

Winkler: Aber du warst auch in einer tollen Zeit am Schauspielhaus. Mit den besten Schauspielern. Alle haben dort hingeschaut. Das ist heute nicht mehr so.

Arsen und Spitzenhäubchen Premiere: Donnerstag, 3. Dezember, St.-Pauli-Theater, Spielbudenplatz 29