Hamburg. Einen alten Bekannten und eine neue Idee gab es Dienstagabend am dritten Tag der Hamburger Klangwerktage auf Kampnagel zu erleben. Der alte Bekannte war "Extremsänger" David Moss, der schon bei den letzten Klangwerktagen ein allzu akademisches Symposion zum Thema Kunstlied aufgemischt hatte. Neu war die Idee, den Stimmanarchisten diesmal durch einen erklärten Musiklaien dem Publikum vorstellen zu lassen.

Als sogenannte Reisebegleiterin ins Reich der neuen Töne fand Regisseurin Christiane Pohle vom Thalia-Theater in ihrer Einführung auf Anhieb die richtige Formel für die dadaistische Kleinkunst des Amerikaners: Spieltrieb plus Energie gleich David Moss. In der Welt des David Moss sieht es nämlich aus wie in dem chaotischen Spielzimmer eines Zwölfjährigen: Auf der Bühne standen u. a. ein zerschundener Ohrensessel, zwei Balken und ein Tisch übersät mit allerlei Krimskrams und elektronischen Apparaten.

Während er die Balken und eine Spielzeugfigur auf den Knien balancierte, erzählte Moss singend, brummend und schnatternd eine Geschichte über seinen seligen Vater im Spiegelsaal von Versailles.

Nur vermittelt durch eine an den Haaren herbeigezogene Assoziation räsonierte er dann eine Weile über Wittengensteins Tractatus. Um anschließend aus seinen Alltagsfundstücken kleine Ad-hoc-Skulpturen zu improvisieren, denen der Barde des Trödels sodann elektronisch verfremdete und mit Loops unterlegte Ständchen darbrachte.

Sinn macht das alles keinen, aber es fasziniert, weil ein imposanter Darsteller seiner selbst mit unerschütterlicher Extrovertiertheit, einer ebenso sonoren wie beweglichen Stimme und dem Rhythmusgefühl eines gelernten Drummers dem Nonsens Leben einhaucht.

Doch Moss ist mehr als nur ein Prediger des Spieltriebs, er ist auch praktizierender Missionar.

Davon konnten sich die sechs Teilnehmer eines dreitägigen Workshops überzeugen, die das Ergebnis ihres Selbsterfahrungskurses im zweiten Teil des Abends vorstellten. Inspiriert und angepeitscht von ihrem energischen Vorsänger und Meister steigerten sich brave Bürger dabei von harmonischem Wohlgefallen zu einem stimmlichen Catch-as-catch-can.