Ein Sturm tobt über Südhessen, ein gefährliches Unwetter mit Orkanböen sucht die Stadt Hanau mit sintflutartigen Regenfällen heim. Dort lebt die Greisin Johanna Jansen, die kurz vor der Übersiedlung in ein Seniorenheim steht. Das Unwetter fungiert als Allegorie für die Stürme und Turbulenzen in der Familie Jansen in Peter Hennings Roman "Die Ängstlichen".

Die autoritäre Johanna hatte kurz vor dem anstehenden Umzug ihre nächsten Verwandten eingeladen: ihre Kinder Helmut und Ulrike und den Enkel Benjamin - alle auf seltsame Weise der Normalität abhanden gekommen. Helmut, ein mäßig erfolgreicher Tennislehrer, der gern den Weltmann mimt, hat gerade eine Tumoroperation überstanden und liefert sich heftige verbale Scharmützel mit seiner Mutter. Seine Schwester Ulrike versucht aus ihrer zerstörten Ehe finanziellen Profit zu schlagen. Und dann ist da noch Enkel Ben - ein Sportjournalist, der von seinem Freund Kaplan den Rat erhält, endlich damit aufzuhören, "der Retter der Welt zu sein".

Nicht nur das familiäre Gefüge der Jansens ist zerbröselt, auch die Einzelpersonen befinden sich in psychischen Turbulenzen. Die betagte Johanna, ihr Sohn Helmut und dessen Schwager Rainer schlucken abwechselnd Aufputsch- und Beruhigungsmittel und bewegen sich dadurch in einem gefährlichen Kreislauf von Angst, Wahn, Überschwang und wenigen ungetrübten Momenten.

Autor Peter Henning liebt es krass, ein "normales" Schicksal scheint ihm nicht zu reichen. So viel sei noch verraten: Johanna zieht nicht ins Seniorenheim.

Aber das kann am Ende weder die Jansens noch Hennings Roman retten, denn all den völlig aus der Bahn geworfenen Mitgliedern dieser überzeichneten Familie fehlt der exemplarische Charakter. Der Orkan hat nicht nur die Figuren durcheinandergewirbelt, sondern auch die formale Konstruktion dieses Erzählwerks zum Einsturz gebracht. Der schleichende Verfall einer Kleinbürgerfamilie erhält bei Henning am Ende unfreiwillig komische Züge, die an schicksaltriefende TV-Serien erinnern.

Peter Henning: Die Ängstlichen. Roman. Aufbau-Verlag, 496 Seiten, 22,95 Euro