Hamburg -. Wahrscheinlich würde Oscar Wilde in der Systemkrise einen idealen Nährboden für eine neue Dekadenz sehen und den Verfall des Geschmacks beklagen. Mit spitzer Feder, Geist und Witz sezierte er 1895 in seiner Salonkomödie "Ernst sein ist alles" oder "Bunbury" eine erstarrte bürgerliche Welt. Wenn sich Elfriede Jelinek in einer Fassung über eine Übersetzung von Karin Rausch hermacht, wartet man da auf besonders bösartige Seitenhiebe. Bei der Premiere von "Ernst ist das Leben (Bunbury)" im Thalia in der Gaußstraße, Regie Anna Bergmann, verschwinden diese Spitzen leider hinter einer Kostümklamotte, die nur dezent an der Hülle dieser hintersinnigen Komödie kratzt.

Zwei Bühnen verkörpern die zwei Welten, die glitzernde Stadt mit riesiger Discokugel auf der einen und das Landleben mit überlebensgroßem Golfball, gusseiserner Sitzgruppe (Bühne: Jo Schramm) auf der anderen Seite. Hier frönen die beiden bohèmienhaften Dandys ihrer gesteigerten, amoralischen Sinnenfreude. Aasig windet sich Sebastian Rudolph als John Worthing vor dem Mikrofon. Wenn ihn das Landleben gar zu sehr kneift, flüchtet er in der Scheinidentität seines "Bruders" Ernst in die Stadt. Gegenüber sein Freund Algernon Moncrieff, bei André Szymanski ein "verkommener Dandy", herrlich großschnäuzig. "Der Dandy ist gleichzeitig Revolutionär und ein Zauberer, der dich an etwas glauben lässt, das gar nicht existiert." Für den Fall, dass ihm seine Tante, Lady Bracknell, zu dicht auf den Pelz rückt, verzieht er sich zu Besuchen bei seinem kranken "Freund" Bunbury auf dem Land.

Die - sehr beiläufigen - Wortduelle der beiden Männer zählen zu den gelungenen ironischen Momenten des Abends. Illustrative Liedchen von Rocko Schamoni oder Marilyn Monroe ermüden dagegen. Der Plot gewinnt nur schleppend an Fahrt, als sich John als Ernst in Algernons Cousine Gwendolen verguckt. Algernon wiederum bezirzt in der Identität von Jacks angeblichem Bruder Ernst dessen Mündel Cecily. Bald gibt es zwei Heiratsversprechen und eine irritierte Verwandtschaft. Ein Rätsel bleibt, warum Bergmann für alle Frauenrollen die Männer in strenge oder bauschige Kleider steckt. Allein Hans Kremer überzeugt als Lady Bracknell mit Präsenz - und Stimme. Die übrigen feiern einen bloßen Tuntenball. Dabei galt doch für Wilde "Das wahre Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare."

Ernst ist das Leben (Bunbury) nächste Vorstellungen 24.11., 1.12., 2.12., Thalia in der Gaußstraße, Gaußstraße 190, Karten T. 32 81 44 44