Hamburg. Wenn es eine Band wie Phoenix noch nicht gäbe, würde sie irgendein Marketingstratege morgen auf dem Reißbrett entwerfen. Vier niedlich verstrubbelte Musiker schälen sich aus dem Bühnennebel. Ihnen schallt ein Kreischen entgegen, wie man es nur von Tokio-Hotel-Auftritten kennt. Nach drei Akkorden verwandeln sich die jungen Studentinnen und ebenso verstrubbelten Jungs im ausverkauften Docks in eine einzige euphorisierte Masse.

Die Franzosen, angereist aus dem eleganten Versailles, zelebrieren ihren Indiepop bemerkenswert unaristokratisch. Präsentieren sich frischer, präziser, besser denn je. Christian Mazzalai und Laurent Brancowitz schrubben aufs Geschmeidigste ihre Gitarren, Deck D'Arcy sorgt für unheimliche Untertöne am Bass. Sänger Thomas Mars - er trägt mal wieder sein blaues Hemd, in dem er wohl zu schlafen scheint - umklammert das Mikrofon und singt mit geschlossenen Augen von der "Lisztomania" vom aktuellen Album "Wolfgang Amadeus Phoenix". Das Konzert ist eine Verbeugung vor den Ikonen der klassischen Musik mit den Mitteln des Pop. Es ist sogar mehr als Pop. Die perfekte Fusion aus strahlender Oberfläche und Tiefe. Aus Alltag und Schönheit. Er beschwört die Leichtigkeit kleiner vorüberhuschender Momente wie Ferngespräche ("Long Distance Call"), die Schönheit der ewigen Stadt ("Rome") und natürlich die Untiefen der Liebe ("Girlfriend"), wie sie wohl nur Franzosen besingen können.

Der so perfekt schwebende Sound des Albums kommt hier, auch dank des famosen Tourdrummers Thomas Hedlund, um einiges druckvoller von vorne. Manche Arrangements wie der des Klassikers "Run Run Run" lässt die Band gar in progressiver Epik ausklingen. Bald traut sich Phoenix sogar, in dem grandiosen "Love Like A Sunset Part I" ein reines Instrumentalstück aufzusetzen. Wie ein Steve-Reich-Klassiker schleicht es sich auf leisen Sohlen an. Doch angesichts der über Minuten ekstatisch anschwellenden Gitarren, geht das Publikum auch hierbei mit.

Statt eines verrätselt Schwierigen markiert Sänger Thomas Mars Everybody's Darling. Umfasst Fanhände, schwingt sich gar zu einer Zugabe auf eine Box mitten unters Volk. Mit den Klassikern "If I Ever Feel Better" und "Everything Is Everything" klingt der Abend aus. Am Schluss sind Band und Fans demokratisch auf der Bühne vereint. Mehr kann man von Pop derzeit nicht wollen.