Meg Rosoff veröffentlicht mit “Damals, das Meer“ einen sprachlich verdichteten und hintergründig humorigen Roman.

Hamburg. Der Junge in der Schuluniform deutet mit großer Geste auf die Torte voll rosaweißem Zuckerwerk. Mit ihr will Hilary seinen neuen Freund beschenken. Im nächsten Augenblick schämt er sich seiner Wahl. Aber da hat die Verkäuferin das Ungetüm schon mit Schachtel und Schleife verpackt.

Unpassender könnte die Gabe nicht sein: Finn, der Beschenkte, ist ein Naturkind. Er und Hilary sind die Protagonisten des Romans "Damals, das Meer" von der Amerikanerin Meg Rosoff, eines Romans über verschwimmende Identitäten. Die verdichtete Sprache und den hintergründigen Humor hat Brigitte Jakobeit in ein treffendes, poetisches Deutsch übertragen. Gestern haben sie den "Luchs"-Kinder-und-Jugendbuchpreis erhalten, den die "Zeit" und Radio Bremen vergeben.

Hilary verfällt dem wilden schönen Finn, der nur sich selbst verpflichtet ist, nicht zur Schule geht und sich keinen Zentimeter vereinnahmen lässt. Hilary dagegen ist aus bürgerlichem Hause, ein schlechter Schüler und bevorzugtes Opfer seiner Mitschüler. "Er ist anders, als er nach Meinung seiner Umwelt sein sollte", sagt Rosoff. Das kennt sie von ihrer Mutter: "Ich kletterte auf Bäume wie die Jungen, statt Kleider zu tragen."

Nicht zufällig hat Rosoff, Jahrgang 1956, ihrem jüdischen Ostküstenhintergrund den Rücken gekehrt und sich für ein Leben im brüchigeren, kauzigeren England entschieden.

Äußerlich ginge die Autorin glatt als Engländerin durch mit den kurzen, rötlichen Haaren und dem Schalk in den Augen, gegen den selbst die schwarze Designerbrille nicht ankommt. Ihre Unverblümtheit ist entwaffnend: "Schreiben ist Arbeit! Ich habe immerzu Angst, dass mir für das nächste Buch nichts mehr einfällt."

Für "Damals, das Meer" ist ihr jedenfalls eine haarsträubende Pointe eingefallen. Und wenn Hilary in bester Absicht Finns Hütte am Meer den Naturgewalten preisgibt, dann zeigt sich darin die ganze Tragik dieser ungleichen Freundschaft.

Meg Rosoff: Damals, das Meer Deutsch von Brigitte Jakobeit, Carlsen-Verlag, 236 S., 14,90 Euro